Der Mensch als von Natur aus kooperatives und politisches Lebewesen
Implikationen eines Dialogs zwischen Aristoteles und Michael Tomasello für eine interdisziplinäre Erforschung menschlicher Kognition.
Autor: Benjamin Reimann
D I S S E R T A T I O N
Zitierfähige Url:https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-720593
Dabei gibt es zwei bedeutende logische Probleme zu beachten: Erstens, der gemeinsame
Vorfahr von Mensch und Großaffe lebt nicht mehr, er kann nur theoretisch rekonstruiert
werden. D.h. im Speziellen ist es durchaus denkbar, dass auch Schimpansen sich –
ebenfalls in kognitiver Hinsicht – auf ihrem Zweig des Stammbaumes evolutionär
weiterentwickelt haben. Zweitens hat die Evolution des Menschen mehrere
Zwischenstufen angenommen, die sich auch ebenfalls einer behavioralen Untersuchung –
wie Tomasello sie bevorzugt – entziehen, da es keine lebenden Individuen dieser Arten
mehr gibt. Auch eventuelle Frühmenschen können nur theoretisch rekonstruiert werden.
Aus diesem Grund weist Tomasello auch immer wieder darauf hin, dass seine
Darstellungen letztlich eine „hypothetische Naturgeschichte“130 erzählen. Diese Einwände sind von großer Bedeutung in der Suche nach Wesensmerkmalen. Fähigkeiten, die wir mit Menschenaffen gemeinsam haben, können keine differenzierenden Wesensmerkmale sein, bieten jedoch einen guten Anlass zur Spekulation über die Fähigkeiten unserer (gemeinsamen) evolutionären Vorfahren. Eine Spekulation bleibt es dennoch, da es auch denkbar möglich ist, dass Schimpansen parallel zu Menschen Fähigkeiten entwickelt haben, auf die unsere gemeinsamen Vorfahren nicht zurückgreifen konnten. Gehaltvoll und wissenschaftlich wird diese Spekulation, wenn sie mit weiteren Indizien aus Vergleichsstudien mit anderen Menschenaffen unterfüttert wird.
A) Hier bringt R etwas zur Sprache, das ich – beispielweise im Rahmen eines Einführungskapitels – im Buch von T erwarte.
B) R spricht von logischen Problemen. Meines Erachtens geht es hier nicht um logische sondern um methodologische Probleme und damit zusammenhängende methodische Herausforderungen und nötige diesbezügliche Klärungen/Deklarationen.
C) T spricht im Buch, wie auch im Untertitel, von Theorie, ebenso spricht R öfters von Ts Theorie. Dies ist meines Erachtens keine angemessene und schon gar nicht die methodologischen Herausforderungen korrekt kennzeichnende Begriffverwendung. T konstruiert Naturgeschichten, also Beschreibungen früher abgelaufener, als konkret gedachte Prozesse/Zustände/Verläufe und zwar in unterschiedlichem Detaillierungsgrad. Ts Forschung ist also nicht Theorie produzierend, sondern Theorie konsumierend: In Kenntnis und Anwendungen von Theorie (re)konstruiert T vergangene Verhältnisse. Er beschreibt, wie es war oder zumindest wie es hätte sein können/müssen, so dass der jetzt lebende Homo sapiens sich aus Vorfahren über viele Zwischenschritte hat entwickeln können. Da – wie weiter oben ausgeführt – für Ts Forschungsfeld sehr wenig Überkommnisse vorliegen, sind seine Geschichten wenig sachlich abgestützt und können daher (und werden von R) als spekulativ bezeichnet. Dies ist T aber nicht zum Vorwurf zu machen. Mein Vorwurf ist nur, dass er diese Zusammenhänge offener deklarieren müsste. Das setzt voraus, dass sie ihm überhaupt bewusst sind.