Kapitel 2 (Die Mutter, frühe Kindheit)
Nabokov hat immer seine ausgeprägte Sensibilität, seine Empfindungsfähigkeit zelebriert. Wir erfahren hier mehr zu den Ursprüngen – seine Mutter spielt eine wesentliche Rolle. Sie ermutigte den kleinen Knaben nicht nur, seine «milden Halluzinationen» ernst zu nehmen und sie zu erforschen, sie teilte beispielsweise auch die Buchstaben-Farben-Synästhesie mit ihrem Sohn. Die Phänomene, die Nabokov hier beschreibt, dürften viele Kinder mehr oder minder ausgeprägt wahrnehmen. Für die meisten Eltern und in der Folge dann auch für die Kinder sind die Erscheinungen am Rande des Bewusstseins oder kurz vor dem Einschlafen Trugbilder, denen man keine Beachtung schenkt, oder lästige Nebengeräusche. Nabokov dagegen kultivierte die «Halluzinationen» ein Leben lang, auch wenn «keine mir viel genützt» hat (p. 38), wie er schreibt. Dies möchte man leise bezweifeln. Zum einen hat Nabokov als Schriftsteller aus diesen Empfindungen poetischen Mehrwert geschlagen, und zum anderen scheint auch seine idiosynkratische Metaphysik der Zeit eng mit den Halluzinationen verwoben.
Nabokov portraitiert seine Mutter liebevoll als leicht weltfremdes Wesen voller Urvertrauen, das sie an ihren Sohn weitergeben konnte, mit einem Enthusiasmus für die Farben und Formen des Geistes und der Natur; sie war beispielsweise auch eine begeisterte Pilzsammlerin.