Besprechung für Die Holländerinnen
Im neuen Roman „Die Holländerinnen“ von Dorothee Elmiger berichtet eine bekannte Schriftstellerin vor einem Auditorium von einem Projekt, zu dem sie von einem namentlich nicht genannten, aber offenbar bekannten Theatermacher eingeladen wurde. Schauplatz dieses Projekts ist ein abgelegener Ort im Dschungel eines mittelamerikanischen Landes, in dem vor Jahren zwei Holländerinnen auf mysteriöse Weise verschollen sind. Die Idee des Projekts bleibt zunächst weitgehend verborgen, nach und nach bringen vage Andeutungen seitens des Theatermachers spärliche Hinweise: Es geht um Theater, es geht um eine Art Rekonstruktion des Schicksals der Holländerinnen, indem man sich auf deren Spuren bewegt und sich die Teilnehmenden untereinander austauschen, ohne dass es dafür konkrete Regieanweisungen geben würde. Die Teilnehmer sind eine bunt zusammengewürfelte internationale Truppe – unter anderem ein paar Theaterleute wie eine Kostümbildnerin, ein Dramaturg, eine Produktionsassistentin, ein Kameramann sowie eine Studentin „aus einer nordöstlichen Talschaft im Schweizer Voralpengebiet“, eine indigene Bäuerin, eine dänische Bloggerin oder ein Mädchenchor aus dem holländischen Leiden.
Ein roter Faden im Roman sind Geschichten. Die, von der die Schriftstellerin vor dem Auditorium erzählt, aber vor allem die der Teilnehmenden des Projekts, die alle mehr oder weniger persönlich, speziell und skurril sind und in großem Detail ausgebreitet werden. Es geht etwa um Ziegen in der Schweiz, deren Neugeborene auf mysteriöse Weise verenden, die Liaison der Kostümbildnerin mit einem unberechenbaren Maler in New York, wo sich in der Nachbarwohnung eine Katastrophe abzeichnet, die kleinteilig nachgezeichnet wird, die Proben zu Passionsspielen auf einer Insel in der Ägäis, in der es zu einem Attentat kommt, oder um Misshandlungen von Klaus Kinski an seiner Frau im Flur eines Hotels im Amazonasgebiet, wo gerade Dreharbeiten unter der Regie von Werner Herzog stattfinden.
Der Roman hat etwas Disparates, Fragmentarisches, er gefällt sich in der Verschachtelung, es werden immer wieder Gedankenfetzen der vortragenden Schriftstellerin oder Referenzen auf Intellektuelle wie Theodor Adorno, Max Horkheimer, Walter Benjamin oder Ingeborg Bachmann eingestreut. Das Buch spielt mit dem Perspektivischen, Geheimnisvollen, dem Mystischen, der vagen Ahnung, dem Unheilvollen, das mit Hilfe dramaturgischer Kniffe verstärkt wird. Fakten spielen eine untergeordnete Rolle, es gibt eine Reihe von Unstimmigkeiten und vieles, das gar zu unwahrscheinlich anmutet und weit in den Bereich des Skurrilen, Grotesken, Absurden hineinreicht.
Der Roman ist nahezu komplett in indirekter Rede wiedergegeben, die sich mitunter über mehrere Ebenen erstreckt, da Geschichten in Geschichten in Geschichten eingebettet sind. Dies führt zu einem Feuerwerk der Konjunktive, in dem sich die Autorin in dem ansonsten erzählerisch überaus ansprechend geschrieben Roman an zwei, drei Stellen selbst verheddert.
Es hat den Anschein, die Leserschaft werde hier mit einem literarischen Experiment konfrontiert, das durchaus einen Sog zu entfalten vermag, aber am Ende doch arg konstruiert und übermäßig gewollt wirkt.