Der Mensch als von Natur aus kooperatives und politisches Lebewesen

Implikationen eines Dialogs zwischen Aristoteles und Michael Tomasello für eine interdisziplinäre Erforschung menschlicher Kognition.

Autor: Benjamin Reimann

D I S S E R T A T I O N

Zitierfähige Url:https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-720593

SEITE: 110 bheym 1 Kommentar
Stelle:

„Die eine betrifft Überlegungen zum evolutionären Ausgangsdruck, der den Menschen kooperativ werden ließ, …“

Anmerkung:

BR stellt die Frage, worin der evolutionäre Druck bestanden haben mag, dass sich bei Menschen die Fähigkeit zur Kooperation herausgebildet hat, und stellt fest, dass es dazu wenig Aussagen gibt und es sehr schwierig bis unmöglich scheint, dazu belastbare Indizien zu finden.

Er beantwortet die Frage schließlich so, dass es nicht notwendigerweise einen „materialen“ evolutionären Druck (etwa analog zum Meteoriteneinschlag und damit einhergehende drastische Klimaveränderungen, an die sich die Arten anzupassen hatten) gegeben haben muss, sondern dass es reicht, wenn Vertreter der Gattung homo ohne vorhergehende genetische Veränderungen mehr oder weniger zufällig begonnen haben, Ansätze von geteilter Intentionalität zu zeigen und sich dies nach und nach durchgesetzt hat, weil sich diese Art von Verhalten als evolutionär vorteilhaft erwies. Er bezeichnet dies als formale Wirkursache im Abgrenzung von der nicht auffindbaren materialen Wirkursache.

Ich finde diese Sicht plausibel, zumal ich mir schon länger die Frage gestellt habe, inwiefern ein evolutionärer Druck überhaupt eine notwendige Voraussetzung ist. Natürlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen man Entwicklungen als Antworten auf einen evolutionären Druck nachzeichnen kann, aber es mag auch solche geben, die einfach durch puren Zufall entstanden sind und die in der Folge zu einer Überlegenheit der betroffenen Art geführt haben. Nach meinem Verständnis ist dies ein ganz wesentliches Prinzip der Evolution – die Rolle des Zufalls.

Eine Konsequenz hiervon wäre, dass sich die Frage nach dem evolutionären Druck nicht zwingend stellt, weil man ihn nicht notwendigerweise braucht. Ich weiß nicht, ob BR dies so meint, wenn ja, hätte er es noch expliziter und prägnanter schreiben können. Bei ihm entsteht der Eindruck, dass das Ausbleiben eines konkreten evolutionären Drucks bei der Entwicklung des Menschen einen Sonderfall darstellt.

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christina.ausderau

Dazu kommt mir der berühmte Artikel von Gould und Lewontin in den Sinn, „The Spandrel of San Marco. A Critique of the Adaptionist Program“, in dem die beiden argumentieren, dass es nicht für alle Ausprägungen einen evolutionärem Druck braucht, es können auch zufällige Nebeneffekte sein – oder notwendige Nebeneffekte, aber jedenfalls nicht per se selektionierte.

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