Der Mensch als von Natur aus kooperatives und politisches Lebewesen

Implikationen eines Dialogs zwischen Aristoteles und Michael Tomasello für eine interdisziplinäre Erforschung menschlicher Kognition.

Autor: Benjamin Reimann

D I S S E R T A T I O N

Zitierfähige Url:https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-720593

SEITE: 135 - 141 bheym 1 Kommentar
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Kurze Reflexion zum Abschnitt Aristoteles – Teleologie

Anmerkung:

BR argumentiert, dass die Teleologie bei Aristoteles in keiner Weise mit einer Rückverursachung gleichzusetzen ist. Letztere besagt, dass vorgängig etwas passiert, damit in der Folge ein Ziel erreicht wird. Das zu erreichende Ziel verursacht somit dasjenige, was vorgängig passiert, obwohl es in der Vergangenheit liegt (normalerweise ist natürlich die Wirkung der Ursache nachgelagert).

Das Argument besteht darin, dass der Mensch von Natur aus zur Vergemeinschaftung strebt, er kann gewissermaßen nicht anders und könnte anders auch nicht überleben. Es ist ähnlich wie bei einem zu Boden fallenden Stein: der kann auch nicht anders. Der am Boden liegende Stein ist die Finalursache, der Endzustand eines Prozesses. Dieser Endzustand ist aber nicht so zu verstehen, dass er eine Art magische Anziehungskraft auf den Stein ausüben würde und der Stein deswegen zu Boden fiele. Teleologie meint hier, dass der Prozess zwar auf ein als Zweck, Ziel oder Finalursache bezeichneten Endzustand hin gerichtet ist, aber diese Gerichtetheit ist nicht durch den Endzustand selbst verursacht, sondern sie liegt in der Natur der Entität, sie ist dieser immanent.

Ich finde diesen Gedankengang von BR (und er ist sicher nicht der erste, der ihn vorbringt) absolut plausibel, nur ist er nach meinem Dafürhalten unnötig kompliziert dargestellt. Es mutet fast etwas esoterisch an, wenn gesagt wird, der Mensch sei von Natur aus politisch und strebt daher immer nach Vergemeinschaftung und Staatenbildung, weil dies wie eine wenig wissenschaftlich anmutende Pauschalaussage daherkommt („der Mensch ist eben so“). Der Kern der Idee ist dabei doch sehr einfach: Die Entitäten streben auf etwas zu, weil ihre Beschaffenheit und die natürlichen Gesetzmäßigkeiten (auf der grundlegendsten Ebene etwa die Beschaffenheit der Materie und ihre Wechselwirkungen) dies bedingen. In mathematischer Sprechweise konvergiert ein Prozess gegen den Endzustand, weil die Bedingungen eben so sind, oder, physikalisch ausgedrückt, weil natürliche Kräfte die Bewegung zum Endzustand bewirken. Eine wissenschaftliche Erklärung würde nun die „Bedingungen“ oder die wirkenden Kräfte adressieren und eine Modell/eine Theorie für sie postulieren.

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christina.ausderau

find ich auch – aber in diesem Verständnis ist der Begriff des Teleologischen vollkommen irreführend. Ernst Mayr nennt dies genau deswegen „teleonomisch“.

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