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Stelle:
„Ohne einen objektiven Massstab können wir zwar alle möglichen Arten des Verstehens der Gedanken anderer haben, aber kein Verständnis falscher Überzeugungen.“
Anmerkung:
Die Herleitung scheint überzeugend. Aber… wenn ein junger Schimpanse sich einer Giftschlange nähert, und der ältere ihn davor warnt: geht dann der ältere nicht davon aus, dass der jüngere eine falsche Überzeugung im Bezug auf die Giftschlange hegt („ungefährlich“)? Der ältere Schimpanse hat seine subjektive Einschätzung, und die des jüngeren scheint davon abzuweichen. Noch nicht zwingend ein „objektiver Massstab“, aber …
Dies ist ein Punkt, bei dem ich mich ebenfalls frage, wie zwingend die Argumentation von Tomasello hier ist. Haben Menschenafffen wirklich kein Verständnis falscher Überzeugungen? Ist ihre „Theorie des Geistes“ (was weiß, was sieht der andere?) wirklich nicht-perspektivisch, wie Tomasello behauptet? Bei ihm ist das ein ganz zentraler Punkt, den ich zwar recht verlockend finde, bei dem ich aber ein wenig das Zwingende vermisse.
Beim Beispiel der Giftschlange kann man aber auch hinterfragen, ob man hier wirklich von eimen „Warnen“ sprechen kann. Kann es nicht sein, dass der erfahrene Menschenaffe weiß, Schlangen können generell gefährlich sein, und er gibt dieses Wissen mehr oder weniger instinktiv an den jungen Artgenossen weiter, ohne sich explizit klar zu machen, dass der junge die Gefahr unterschätzt?