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Besprechung für Giovanni’s Room

Moritz T. 1 Kommentar
Besprechung:

Ein dicht geschriebenes Kammerstück, das viel mit Dialogen und inneren Monologen arbeitet. Geschildert wird die Liebe zweier Männer im Paris der 1950er Jahre, der Amerikaner David verliebt sich in Abwesenheit seiner Braut in den italienischen Kellner Giovanni, den er dann fallen lässt, als Hella aus Spanien zurückkommt, und Giovanni seinen Job verliert, und dann sich aushalten lassen muss von alternden Schwulen, die er verachtet. Am Ende ermordet Giovanni mutmasslich seinen ehemaligen Arbeitgeber Guillaume. David stellt sich (und dem Leser) diese Szene vor, handwerklich ist das sauber gearbeitet, und effektvoll inszeniert.

Aber vieles an diesem Roman kommt überzeichnet daher, mit dem Zeigefinger deutend, konstruiert; das ist eine entscheidende Schwäche, die sich nur ein Stück weit mit den schwulenfeindlichen Zeitumständen legitimieren lässt, gegen die der Autor mit einer eindeutigen Romanmoral angeht. Er bezahlt dafür mit einer Sterilität, die den Dialogen anhaftet, so kunstvoll sie inszeniert sind.  Gelegentlich schleichen sie auch Passagen ein, die man misogyn deuten könnte.

Gewiss hat der Roman auch sonst Patina angesetzt, das existenzialistische Paris der 1950er Jahre als Ort der Selbstfindung für junge Amerikaner hat längst ausgedient, aber das verzeiht man dem Roman, die Szenerie entfaltet immer noch einen gewissen Charme. Wenig zwingend scheinen dagegen die Rückblenden in die Vergangenheit von David und Giovanni.

Grossartige Intensität der über 30 Seiten hinweg beschriebenen Nacht, in der David Giovanni kennenlernt; der Autor hat viel investiert und als Schwarzer, der über weisse Homosexuelle schreibt, auch viel gewagt.

Am Ende dominiert aber eben der Eindruck, dass hier eine Botschaft vermitteln werden soll, die die Geschichte instrumentalisiert, und sie ihrer Lebendigkeit beraubt.

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Gaby K.

Ich gebe Dir in allen Punkten recht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, was für eine Botschaft der Roman vermitteln will. Die schwulenfeindlichen Zeitumstände sind sicher das eine, die es David verunmöglicht, sich zu entscheiden. Und doch – nicht nur David, auch Giovanni sehnen sich nach Frau und Kinder (und Giovanni hatte sie ja auch, hat sie aber zurückgelassen). Ist das nur der Zeit geschuldet oder möchte David eigentlich seine unglückliche, ungeliebte Kindheit anders weitergeben, weiss aber nicht wie?

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