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Besprechung für Notes on Grief

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

Trauer ist eine Überwältigung, durchaus auch mit körperlichem Impact, wie Chimamanda Ngozi Adichie feststellt. Sie ist nicht etwas, das wir gestalten, wir sind ihr ausgeliefert. Der Tod tritt ein, er verändert das Leben unmittelbar, aber die Trauernde braucht Zeit, zu begreifen und sich zu adaptieren. Die Gefühle und Erinnerungen werfen sie in alle möglichen Richtungen. Es ist eine der Stärken der „Notes on Grief“, das sie diesem Durcheinander Ausdruck geben: sie handeln von den Wurzeln der Igbo-Kultur, der die Familie entstammt, von der Unfähigkeit, das Wort „funeral“ zu schreiben, vom Schmerz, den das Fehlen der „Daddy“-Kachel in der Zoom-Familienkonferenz hervorruft, von den Besuchen des Vaters in Amerika, von seinem Stolz auf die erfolgreiche Tochter-Schriftstellerin, davon, wie der Statistik-Professor zuhause sorgfältig die Schulzeugnisse der Kinder archiviert.

Adichie reflektiert die Schwierigkeit des Kondolierens, keine Formel, kein Wort scheint passend, wird eher noch als Übergriff empfunden: „He is in better place now.“ – woher will der Kondolierende das wissen? Und „find peace in your memory“ ist ein Hohn, wenn Erinnerungen zwar ein Lachen mit sich bringen können, „but a laughter like glowing coals that soon burst aflame in pain“, schönes Bild.

Adichies Vater starb im Sommer 2020 in Abba, Nigeria. Der Tod des 88-jährigen ist ein Schock für die Tochter, die – mitten in der Corona-Pandemie – in den USA festsitzt, und sich nur über Videokonferenzen mit ihrer Familie austauschen kann. In 30 Kurzkapiteln setzt sich die Autorin mit dem Tod des Vaters auseinander, in knappen Sätzen berichtet sie vom Einbruch der Trauer in ihr Leben; sie verzichtet weitgehend auf allgemeine Überlegungen zum Thema, was zählt ist das unmittelbare Erleben.

„Notes on Grief“ sind aber auch ein intimes Portrait von James Nwoye Adichie als grosszügiger, integrer und liebenswürdiger Mensch, das seine Tochter mit uns teilt. In ihrer frühen Kindheit wirkte der Herr Professor distanziert, aber als Teenagerin erfährt sie die Zuneigung des Vaters im Gespräch. Im Buch findet sich keine Spur von Absetzung oder Rebellion der – wie sie in ihren Romanen beweist – wachen, intelligenten, scharf beobachtenden Tochter, in kleinen Anekdoten und Erinnerungen kommen nur Nähe, Liebe und auch Bewunderung zum Ausdruck.

 

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