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Besprechung für Bergeners

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

«Bergeners» ist eine disparate Sammlung von Texten und Gedichten, lose komponiert, nur streckenweise fügen sich die Stücke schön organisch ineinander (wie gegen Ende «Vom Reisen», «Vom Schlafen», «Von Schlüsseln», «Von der Notwendigkeit einer Tür»); die Klammer bilden zwei Hotelaufenthalte – vor der Trennung in New York zu Beginn (kleiner Werbespot für «The Standard Hotel»), nach der Trennung in Berlin zum Schluss.

Allenfalls durch die Titel-Anlehnung an die «Dubliners» geweckte Erwartungen werden enttäuscht, auch wenn Joyce einen kurzen Gastauftritt hat. Es ist ein Buch auch über Bergen und die Bergener, aber im Wesentlichen handelt es von einer Person, die dort lebt, einem Autor in einer midlife crisis mit Namen Tomas. Wobei dieses autobiographisch getönte Schreiben wohl immer im Krisenmodus funktioniert, midlife hin oder her.

Das titelgebende, längste Prosastück handelt in einem exquisiten Absatz vom notorischen Bergener Regen, von Freunden, einer nordischen Bohème, die naturgemäss dem Alkohol zuneigt, und endlosen Gesprächen, gern über Schriftsteller und Philosophen aus dem deutschen Sprachraum. Das bürgerliche Bergen wird explizit ausgeblendet (der «langweiligste und uninteressanteste Gegenstand»); dafür erzählt der Ich-Erzähler vom Schreibkurs, den er im Bergener Bezirksgefängnis gibt. Es gibt Rückblicke in die Kindheit, es wird erzählt von Bergener Ortsteilen und Strassen – man wird neugierig auf Danmarksplass.

Bergen bildet den Rahmen, aber im Kern handelt das Buch von der Einsamkeit, der Espedal in  einprägsamen, zuweilen vielleicht auch etwas selbst-mitleidigen Bildern Ausdruck verleiht. Der Ich-Erzähler zieht sich nach der Trennung von Janne immer wieder nach Südeuropa zurück, in Hotelzimmern verbirgt er und betrinkt sich. Einmal im griechischen Nafplio wirft er ein Auge auf Maria Helena, die im Café der Eltern gegenüber arbeitet und ihn jeden Morgen bedient. Eines Abends sieht sie – jetzt privat mit Freunden unterwegs –  ihn allein in einem Restaurant, sie scheint über ihn zu reden. Einsamer denn je; er reist sofort ab. – In Bergen ist er am Morgen unterwegs, die anderen arbeiten: «Er ist mit den Strassen und Häusern so gut wie allein.»

Auch wenn die Stücke – vor allem wenn sie im Süden spielen – zuweilen zeitenthoben wirken, reflektieren sie auch grössere oder kleinere Zeitereignisse, so wenn das Massaker von Utoya geschildert wird, in einem Versuch, die Perspektive des Attentäters einzunehmen, oder die Ausläufer eines Literaturskandals des Freundes Karl-Ove Knausgard den Ich-Erzähler erreichen.

Als Leser muss man sich auf die verschiedenen Stimmungen einlassen, von einem lyrisch-aphoristischen Stück wie «Lichtverhältnisse» (Themen: die Farbe Blau, Sonne, Vögel, «meine Liebe», die schnellen Autos) über die Beschreibung eines Augenblicks der intensiven Nähe zu Janne (in einem schnellen Auto) zur Erzählung vom Besuch bei einem «Autor, der nicht schreibt» in Italien. Zuweilen mag das etwas beliebig wirken, aber immer wieder gelingen Espedal Momente der Verdichtung, die die Lektüre lohnenswert machen.

 

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