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Besprechung für Die Kunst der Renaissance

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

Besprechung für Band I und Band II.

 

Es sind zwei Ungetüme von Bänden, mit insgesamt mehr als 1700 Seiten (wovon etwas weniger als die Hälfte Kommentare, Register etc.), die aberhunderte von Bildern, Skulpturen oder Bauten abhandeln. Es gibt in dieser riesigen Textwüste aber keine einzige Abbildung. Das hängt zusammen mit den editorischen Grundsätzen der Gesamtausgabe, auf die im «Editorischen Nachwort» mehrfach verwiesen wird (und die man gern im Detail nachlesen würde – wo sind sie zugänglich?). Die Texte dieser Bände wurden aus dem Nachlass herausgegeben; hier zeigt sich der Unterschied zu «Die Baukunst der Renaissance in Italien», die vom zeitgenössischen Verleger Burckhardts mit zahlreichen Abbildungen versehen wurde.

Das Manko der fehlenden Abbildungen wiegt nicht so schwer; es empfiehlt sich einfach eine Lektüre in einer gut ausgestatteten Kunstbibliothek, oder mit Laptop und guter Internetverbindung; dann lassen sich Behauptungen Burckhardts bei Bedarf überprüfen.

Burckhardt legt ein stark geografisch geprägtes Bild der italienischen Renaissance vor, die zugleich eine Verfallsgeschichte der Kunst ist: Florenz als dominantes Zentrum, mit dem Höhepunkt um 1500 (Lionardo, Michelangelo, Rafael); die römische Schule (geprägt von Michelangelo), die Burckhardt schon sehr kritisch sieht, mit negativen Auswirkungen auf nachfolgende Künstler; und schliesslich Venedig, Konzentration auf Ölgemälde, grosse Ausstrahlung (Bellini, Giorgione, Tizian).

Burckhardt zeigt den wachsenden Stellenwert der Kunst und der Künstler in der Gesellschaft. Die «Buden» in Florenz schlossen aus Ehrerbietung, als Filippino Lippi 1505 beerdigt wurde. Diese Stellung der Künstler trägt dann aber zum Niedergang bei: grosse Nachfrage, sie wurden von den Bestellern zur «Schnellmalerei» angehalten, rasches Geld. Entscheidend für den Qualitätsabfall aber auch die Gegenreformation, wie Burckhardt nicht müde wird zu betonen: der Kunst wird die (Motiv-) Freiheit entzogen, ideologische Aufgabe der Gemälde.

Es wäre reizvoll, die zahllosen Querbezüge, Einflüsse, kunstgeschichtlichen Reflexionen, die Burckhardt unter den Künstlern der Renaissance ausmacht, einmal grafisch darzustellen. Es verblüfft, mit welcher Sicherheit Burckhardt feststellt, wo beispielsweise Michelangelo nachwirkt, und wo nicht. Gelegentlich gibt es dazu Quellenverweise (vor allem auf Vasari), häufiger jedoch muss man schliessen, dass Burckhardts Feststellungen auf eigenen Beobachtungen fussen. Er besass eine riesige Sammlung von Bildreproduktionen.

Die Originalität seiner Bildbeschreibungen und die (zuweilen durchaus apodiktischen) Urteile machen die Notizen auch heute noch lesenswert. Burckhardt zeigt, wie etwa die (realistisch gezeichnete) Bewegung in die Kunst Einzug hält, vor allem bei Lionardo, der spontan Skizzen von Alltagszenen anfertigte und zugleich den Bewegungsapparat bei Mensch und Tier studierte. Faszinierend auch, wie die Künstler die Landschaft (über das blosse Hintergrundmotiv hinaus) für die Gemälde entdecken. Burckhardt kann sich sehr für die Kunstwerke begeistern, und er stellt höchst interessante, zuweilen auch etwas esoterische Beobachtungen an (etwa zur «Mitwirkung» der Luft in einem Tizian-Gemälde), oder witzige, wenn er der Schule von Athen attestiert, «keine Streber» abzubilden. Aus heutiger Perspektive mag es befremden, wie er sich dann gelegentlich auch anheischig macht, das Innenleben der Künstler zu verstehen. Das trägt aber nur zur Patina dieser gut gealterten Manuskriptseiten bei, die hier zum ersten Mal publiziert werden. Es gereicht der Lektüre dabei kaum zum Nachteil, dass man es häufiger mit Fragmenten und Stichworten als mit ausformulierten Sätzen und zusammenhängenden Gedankengängen zu tun hat. Die vielen Stellenkommentare sind sehr hilfreich bei der Lektüre.

Die heterogenen Texte der beiden Bände befassen sich mit neben der in dieser Lektüre im Vordergrund stehenden Malerei auch mit Skulptur und Architektur. Burckhardt sucht auf verschiedenen Wegen Zugang zu den Kunstwerken; im ersten Band teilt er die Malerei beispielsweise ein nach «Inhalt und Aufgaben». Im zweiten Band orientiert er sich mehr chronologisch-geografisch. Das führt auch zu einzelnen Überschneidungen, und in der Summe zu einer beeindruckenden Bandbreite. Etwas irritierend, dass (soweit ich sehe) in den «Editorischen Nachworten» nicht auf den Gesamtzusammenhang der beiden (von den Herausgebern so zusammengestellten) Bände I und II eingegangen wird, geschweige denn auf das Gesamtbild der Renaissance bei Burckhardt.

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