Er löschte das Licht und versuchte, sich an ihr Gesicht zu erinnern. (…) Er ging ins Bad, um die nassen Sachen auszuziehen.
(…)
Aber das war es nicht, woran er sich dreissig Jahre später erinnerte.
Wieder so ein Kipp-Moment – dadurch, dass David sich in „Renatas“ Gesicht hineindenkt, meint man als Leser, er wäre wirklich näher an ihr gewesen als es der Fall ist. Und plötzlich glaubt man für einen kleinen Moment, David seit tatsächlich bei Renata in der Wohnung gewesen und hätte sich die Sachen ausgezogen.
Das Verwirrendste hier ist aber, dass man sich wohl sicher ist, dass diese Begegnung nur in der Vorstellung stattfand, dann aber die Bemerkung der Erinnerung daran mit 30 Jahren Abstand kommt, die nicht nur suggeriert, die Begegnung mit Renata in deren Wohnung habe stattgefunden, sondern auch der Banküberfall (wieder so ein Kipp-Moment – oder doch nicht?). Man weiss es aber nicht, weil die Geschichte vor dem Überfall endet.
Die Pointe ist ja, dass er sich nicht an die Begegnung mit Renata erinnert. Kein Wunder würde man meinen, aus dreissig Jahren Abstand. Aber müsste man dieses Nicht-Erinnern aus dieser zeitlichen Distanz überhaupt erwähnen, falls die Szene in Renatas Wohnung eine blosse Einschlafphantasie ist? Von daher: ja, der Kniff mit der zeitlichen Verschiebung der Perspektive vermag den Leser zu verunsichern.
Im Unterschied zu David erinnert sich der allwissende Erzähler schon, und weiss auch, was David nicht mehr weiss.