Das schönste Kleid
Rückblickend dachte ich, diese Geschichte hätte keinen Kipp-Moment, wie es bei anderen ist. Dann aber dachte ich: vielleicht sind Realität und Einbildung so verschwommen, dass die ganze Geschichte ein einziger Kipp-Moment ist. Darauf komme ich wegen des letzten Absatzes der Geschichte, der für Stamm ungewöhnlich „cheesy“ ist. Das ziemlich unwahrscheinliche Wiedersehen zwischen Brigitte und Felix nach ziemlich langer Zeit in der Badi mit dem Kuss beschrieben wie in einem Groschenroman – das passt irgendwie nicht, auch nicht zum Rest der Geschichte.
Wäre Brigitte wirklich nackt in den See gestiegen und ebenso nackt auf der Party erschienen, wäre das doch eher ein Affront gewesen, der dazu hätte führen können, das Felix sie meiden würde. Oder auch nicht. Noch mehr: hätte man sie nicht eher entlassen, wenn sie auf einem beruflichen Anlass so eine Show abgezogen hätte?
Am Ende bin ich verführt zu glauben, das hier ist eine imaginäre Aschenputtel-Story – die unscheinbare Ausseenseiterin Brigitte gegen die taffen Kolleginnen Nicole und Daniela im Buhlen um den tollen Felix. Brigitte hat die wenigstens Chancen, imaginiert sich aber als Gewinnerin?
Es ist ein bisschen wie beim Ende der vorhergehenden Geschichte: Man kann es glauben oder nicht…
Kann es sein, dass der Erzähler nicht so recht wusste wohin mit dieser Geschichte? Immerhin investiert er ein wenig in das realistische Agentur/Archäologie-Setting, und er eröffnet sich die Jungsteinzeit-Perspektive. Dann aber endet das ganze ziemlich flach und kitschig, und ich kann keine ironische Brechung erkennen.