SEITE: 73 - 91 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

„Die Frau im grünen Mantel“

Anmerkung:

Herausragende Erzählung, gute Balance (Rückblick und Erzählgegenwart), bestechendes Timing des Gangs durch das Krankenhaus; Porträt einer faszinierenden Figur.

Der Ich-Erzähler, jetzt Patient und ehemals Arzt hier, nimmt uns mit auf einen Spaziergang durchs Krankenhaus. Er folgt einer Frau, die er vor Jahren mehrfach behandelt hatte; während er ihr durch die verschiedenen Abteilungen und die Cafeteria nachschlendert, erinnert er sich an die merkwürdigen, erotisch aufgeladenen Begegnungen (der etwas einsame junge Arzt verpasste es, klare Grenzen zu ziehen). Und wie er entdeckte, dass Mirjam nicht nur ihn beschäftigte mit erfundenen Krankheiten oder selbst zugefügten Verletzungen, sondern eine ganze Reihe von Ärzten. Zugleich hatte nie ein Arzt eine Akte über sie angelegt, etwas unwahrscheinliche Volte. Die dauerpräsente, aber anonyme Patientin.

Die Frau ist ganz offensichtlich besessen vom Krankenhaus und von Ärzten, in dieser Umgebung scheint sie sich wohlzufühlen; sie nutzt auch die Notfallaufnahme, um zu jeder Tages- Und Nachtzeit darin einzutauchen.  Eine weit entfernte Verwandte von Poes «Man of the Crowd» vielleicht. Ein Gespenst, das unablässig durch die Krankenhausflure wandert, seit Jahrzehnten.

Am Ende führt ihn die Frau wieder in den Eingangsbereich, wo der Chefarzt und ehemalige Kollege ihn jovial begrüsst, aber kein Wort verliert zur riskanten bevorstehenden Operation.

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