Besprechung für Picknick auf dem Eis
Düstere Geschichte aus dem postsowjetischen Kiew. Ein einsamer Schriftsteller namens Viktor, der einen Pinguin als Haustier hält, verdient sein Brot mit dem Schreiben von Nekrologen für die «Hauptstadtnachrichten». Er entdeckt allmählich, dass seine Nekrologe im Zusammenhang stehen mit einer Mordserie; seine Ambition, diesen rätselhaften Zusammenhang zu entschlüsseln, ist allerdings limitiert. Wie generell seine Ambitionen: Viktor lebt sehr genügsam. Durch Zufall sammelt sich eine kleine Familie um ihn herum an, erst hütet er das Kind namens Sonja eines weiteren Nekrolog-Auftraggebers, der plötzlich verschwinden muss, dann zieht das Kindermädchen Nina, das er zur Betreuung Sonjas angeheuert hat, bei ihm ein. Er schläft ohne Begeisterung mit Nina, er liebt weder sie noch Sonja. Am ehesten scheint er noch eine emotionale Bindung zum Pinguin zu haben, der sich gelegentlich an ihn schmiegt, meist aber einfach traurig herumsteht.
Vielleicht ist Pinguin Mischa ein Phantasma Viktors? Eher eine abstrakte Figur, jedenfalls; er isst gefrorenen Fisch, aber er riecht nicht, scheisst nicht, gibt kaum je einen Ton von sich. Am Ende sagt Viktor: «Der Pinguin bin ich», und er entschwebt mutmasslich in die Antarktis, als sich eine bedrohliche Schlinge um ihn allmählich zusammenzieht; er hatte bei einem dubiosen Journalisten, möglicherweise seinem Nachfolger, den Nekrolog auf sich selbst gelesen.
Die Protektion, die er bis anhin genossen hatte, scheint ihm entzogen worden zu sein. In den – cognac- oder wodka-geschwängerten – Gesprächen mit undurchsichtigen Figuren hatten immer Tod, Gewalt, Armut und Korruption im Hintergrund gedräut. Viktor versucht die Zeichen möglichst zu ignorieren. Er lebt ein Leben auf Sparflamme.
Die Leblosigkeit färbt auf den Roman ab; die Mischung aus realistischen und entschieden absurden Elementen funktioniert nicht gut und lässt den Leser einigermassen ratlos zurück. Eindrücklich immerhin das Bild Kiews als morbide Metropole Mitte der 1990er Jahre.