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Besprechung für Graue Bienen

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

Der Roman wird aus der Perspektive des Bienenzüchter Sergejitsch erzählt, der in einem Dorf in «der grauen Zone» zwischen den Fronten der kriegsführenden Parteien Russland und Ukraine im Donbass lebt. Mit ihm harrt in dem Dorf nur Paschka aus, der Beziehungen zu den Russen pflegt, währenddem Sergejitsch per Zufall die Bekanntschaft eines Soldaten der Ukraine macht. Sergejitsch liegt es fern, für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen, auch wenn sein Hinweis zum Tod eines russischen Scharfschützen führt. Ihm liegt vor allem das Wohl seiner Bienen am Herzen, die der Lärm und der Einschlag der Geschosse in ihrer Arbeit, dem Sammeln von Nektar, stören könnten.

Er beschliesst darum, die Bienen in eine sichere Umgebung zu bringen, als sie zu Beginn des Frühlings aus dem Winterschlaf erwachen. Er macht sich mit fünf Bienenstöcken auf eine Odyssee durch die Ukraine. Er findet einen Platz für seine Bienen bei einem Waldstück, in dem er zeltet. Er ist quasi Teil des Bienenvolks; gern schläft er auf den Stöcken, das Summen der Bienen fördert die Gesundheit. Er knüpft Beziehungen zu einer Ladenverkäuferin in einem nahem Dorf an –  für eine kurze Zeit zeichnet sich ein Idyll ab, bevor ihn der Krieg einholt. Er wird seiner Herkunft aus dem abtrünnigen Donbass wegen von einem ukrainischen Veteranen bedroht und muss weiterziehen, auf die (ebenfalls von den Russen besetzte) Krim. Auch dort gerät Sergejitsch aber bald zwischen die Fronten, und gegen Ende Sommer beschliesst er in sein verlassenes Dorf heimzukehren.

Träume spielen eine wichtige Rolle im Roman; sie sind gekonnt in die Geschichte eingebettet, liefern Hinweise auf Sergejitschs Innenleben, ohne – wie sonst häufig bei Roman-Träumen – langweilig zu wirken oder (übermässig) für das Vorantreiben des Plots instrumentalisiert zu werden. Wie Sergejitsch den Ereignissen seiner Umgebung ausgeliefert ist, hat auch etwas von einem (Alb-) Traum. Er versucht sich, allerdings mit mässigen Ambitionen, einen Reim darauf zu machen. Er kümmert sich um die Dinge in Reichweite. Es scheint plausibel, dass seine Begriffsstutzigkeit ihm eine Aura verleiht, mit der er unbeschadet durch gefährliche Situationen navigieren kann.

«Graue Bienen» erzählt von einer umfassenden Einsamkeit; in seinem Dorf kann sich Sergejitsch nur noch mit Paschka austauschen, dem letzten verbliebenen anderen Bewohner. Sie sind sich eher in Feind- als in Freundschaft verbunden, aber die Situation erzwingt eine gewisse Solidarität und Nähe. Seine Frau und seine Tochter haben Sergejitsch verlassen, sie tauschen sich nur selten über Telefon aus.

Einmal beobachtet Sergejitsch eine Biene, die von ihrem Volk ausgestossen wird, grau wird und stirbt. Sergejitsch ist in seiner «grauen Zone» in einer ähnlichen Lage. Mit – und dank – seinen Bienen schafft es Sergejitsch, der Einsamkeit zu trotzen und sich dem alles dominierenden Krieg zu entziehen  – zumindest weitgehend. Am Ende vernichtet Sergejitsch einen seiner Bienenstöcke, der zuvor vom russischen Geheimdienst beschlagnahmt worden war. Bildet es sich Sergejitsch nur ein, dass die Bienen aus diesem Stock grau und krank sind, vielleicht absichtlich infiziert vom Geheimdienst? Es zählt zu den Stärken des Buches, dass es vieles in der Schwebe lässt.

Kurkov erzählt unaufgeregt eine Heldengeschichte des Eigensinns und der Zurückhaltung in einer feindlichen Welt.

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