SEITE: 247-308 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

The Nose

Anmerkung:

In der Analyse von „Master and Man“ hatte Saunders gezeigt, dass vermehrte Kausalität oder erhöhte Plausibilität zum Gelingen einer Geschichte beitragen kann. In „The nose“ ist gerade das Fehlen von für uns nachvollziehbaren Plausibilitätsbemühungen die Attraktion. Die Geschehnisse und Handlungen der Protagonisten scheinen alles andere als plausibel. Warum funktioniert die Erzählung trotzdem? Saunders meint, dass Gogol eine tiefere Wahrheit unseres Lebens enthüllt: wir bemühen uns um Logik, Rationalität, Kausalität, die wir nachvollziehen können. In Tat und Wahrheit entziehen sich aber die Geschehnisse meist diesen Zusammenhängen, und das wird uns in „The nose“ vorgeführt. Die Welt des nasenlosen Helden Kovalyov gerät aus den üblichen Kausalitätsfugen. Er tut sich schwer zu begreifen, wie er seiner Nase als state councillor und in Uniform begegnen kann. Aber zugleich hinterfragt er seine Wahrnehmung nicht und fragt sich nicht, ob er unter Halluzinationen leide, oder ob er träume. Er spielt das Spiel der Geschichte mit und versucht eine Nasen-Suchannonce in der Zeitung aufzugeben, auch wenn ihm doch absolut schleierhaft sein muss, wie die mannsgrosse Nase wieder in sein Gesicht passen kann.  Zeigt uns die Geschichte also nicht vielmehr, dass unsere Annahmen von Logik und Plausibilität nicht absolut gesetzt werden können, dass andere Welten denkbar sind, in denen andere Gesetze gelten? Und dass man sich – wie eben Kovalyov – schnell mit neuen Massstäben arrangiert, umso etwas wie Normalität aufrecht zu erhalten?

Saunders erkennt in Gogols Erzählung aber einfach auch die Freude am puren Fabulieren, einem Impuls, einem Einfall einfach immer weiter zu folgen. Sowenig man „Freude“ auf Anhieb mit Gogol in Zusammenhang bringt: Man kann sich gut Fabulierlust als Motor für die Erzählung vorstellen, die sich alle möglichen Freiheiten zu nehmen scheint. Wenig erhellend dagegen diesmal der  „Afterthought“ über die Freude am Erzählen, der sich allzu weit von „The Nose“ entfernt.

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