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Besprechung für A Swim in a Pond in the Rain

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

George Saunders führt den Leser durch sieben Erzählungen aus der goldenen Epoche der russischen Literatur. Er zeigt uns, wie und warum die Geschichten funktionieren (bei Gelegenheit auch: wie sie vielleicht noch besser funktionieren würden), warum ihm eine Stelle besonders gelungen scheint, oder er spekuliert über die Gründe des Autors für eine bestimmte Wendung der Erzählung. Sehr engagiert, zuweilen etwas zu didaktisch (er unterrichtet „Russian short stories“ an einer amerikanischen Universität), oder zu stark auf einem Aspekt insistierend  – aber Saunders entwaffnet diese Kritik ein Stück weit im Schlusswort: er will, dass sich der Leser von seiner Sichtweise absetzt, und seine eigenen Lesarten findet; seine Schulmeisterei ist ein bewusst eingesetztes Stilmittel.

Ein reichhaltiges Buch: man liest eine der Kurzgeschichten, macht sich seine Gedanken dazu. Dann ermutigt Saunders mit seinen Hinweisen zu einer vertieften Lektüre, die bei allen sieben Geschichten lohnenswert ist. Warum ist Tolstois „Master and Man“ so lebendig, so mitreissend? Was macht die unspektakulären „Gooseberries“ von Chekhov so besonders? Saunders lehrt einen, dem Ende einer Kurzgeschichte besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Oft verbirgt sich dort eine Pointe oder eine Formulierung, die die ganze Erzählung in anderem Licht erscheinen lässt.

Er widmet sich den Techniken der Autoren, zum Beispiel wie sie mit sich wiederholenden Mustern und Abweichungen arbeiten, wie sie hintergründig geschickt die Plausibilität erhöhen, oder wie sie der Phantasie der Leser Spielraum geben. Die meisten der Geschichten sind in traditioneller Weise erzählt, und man möchte Saunders schon eines gewissen Konservatismus‘ bezichtigen. Aber just in diesem Moment knöpft er sich Gogols „The Nose“ vor, die herkömmlichen Rezepten für eine Kurzgeschichte Hohn spricht. Unwahrscheinlicher Plot, unzuverlässiger Erzähler, ungeschickte Brüche. Warum lesen wir die Erzählung trotzdem gern?

Saunders überzeugt, wenn er nah und hartnäckig an den Geschichte dran bleibt. Zuweilen dreht und wendet er Argumente subtil über viele Absätze, man folgt ihm gern dabei. Das Interesse lässt etwas nach, wenn er ins Allgemeine ausgreift, zumal in den „Afterthoughts“ zu jeder Geschichte. Ganz am Ende wirft er die Frage auf, inwieweit die grossen russischen Erzähler mitverantwortlich sind für das Grauen in der (sowjet-) russischen Geschichte der nachfolgenden Epochen. Eine Frage, die seit dem Februar 2022 nochmals an Aktualität gewonnen hat. Saunders ist da sehr defensiv. Dabei hat er in seinem Buch demonstriert, dass grosse Kunst Raum lässt für unterschiedliche Auslegungen und damit politisch nicht so leicht instrumentalisierbar ist.

 

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