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Besprechung für Crossroads

bheym 1 Kommentar
Besprechung:

USA der 70er Jahre, Familie mit 4 Kindern, die Ehe kriselt, der idealistische Vater ringt mit sich, seinen Ansprüchen und seinem Job als Pfarrer in einer Kleinstadt nahe Chicago, die Mutter schleppt Traumata aus ihrer Jugend mit sich herum, die Kinder haben jeweils ihre eigenen Nöte und Sorgen – das ist das perfekte Setting für einen Franzen-Roman. Es scheint, Franzen weiß, was er am besten kann, und wenn man andere Romane von ihm kennt und mag, wird man auch hier nicht enttäuscht. Der Autor zelebriert die komplexen Dynamiken in der Familie, mit den Mitmenschen, im Job und hat sich offenbar vorgenommen, sie voll auszukosten. Kleine und große Katastrophen sind vorprogrammiert. Die Dramaturgie ist raffiniert, der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und steigt tief in die Psychologie der einzelnen Akteure ein, die verschiedenen Stränge sind garniert mit vielen Rückblenden. Es ist viel Franzen in dem Roman – eine ziemlich normale Familie, verschiedene Schauplätze im Verlauf der Geschichte, meist in den USA, aber auch Lateinamerika und Europa dürfen wieder nicht fehlen, hohe emotionale Ausschläge, Abgründe und Verstrickungen in sich selbst, aber immer wieder gibt es Wendungen zum Versöhnlichen. Gelegentlich wachsen die Akteure über sich hinaus, und vor allem: das Leben geht immer weiter. Und das ist dann vielleicht auch das, was man kritisieren könnte: Die Dinge sind in gewisser Weise erwartbar, von der großen Fließrichtung der Geschehnisse wird man schwerlich überrascht, das Muster ist bekannt. Aber einmal mehr ist es gekonnt mit neuem Leben gefüllt und brillant erzählt, auch wenn sich der 800-Seiten-Roman die eine oder andere Länge erlaubt – allerdings nicht so, dass man nicht gespannt auf die Fortsetzung dieses ersten Bandes der in Aussicht gestellten Trilogie warten würde.

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Moritz T.

Die Rezeption in der (deutschsprachigen) Presse war eher gemischt. Vielleicht auch, weil man seit Corrections (und auch wegen seines gesellschaftpolitischen Engagements) von ihm immer The Great American Novel erwartet, Unerhörtes, Wegweisendes. Und er aber einfach macht, was er gut kann, wie Du es notierst: das Innenleben einer Familie in immer neuen Facetten beschreiben. 

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