SEITE: 1470 - 1553 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

„Drittes Hauptstück: Die kretische Laube“

Anmerkung:

Joseph wird mit «schönem Befehl» herangeholt, des Pharaos Träume zu deuten, nachdem die professionellen Traumdeuter des Hofes in den Augen des Pharaos jämmerlich versagt haben.

Joseph zum ersten Mal in der Position des Älteren, Erfahrenen. Der Pharao ist noch ein Teenager, mit Hang zu Überschwang, der Selbst-Beweihräucherung und Sentimentalität, die der Autor mit komischen Effekt inszeniert. Dagegen steht der gewiefte Kommunikator Joseph, der das Gespräch geschickt dirigiert.

Er nimmt sich in der Position des Untergegebenen viele Freiheiten heraus, die aber geschickt-demütig vorgetragen werden. Der junge, zur religiösen Schwärmerei neigende Pharao ist leicht zu gewinnen. Aber die Gegenwart der Pharao-Mutter, die durchschaut, wie Joseph dem Herrscher Gedanken und Worte in den Mund legt, macht den Auftritt zu einem Seiltanz über dem Abgrund.

Joseph redet beispielsweise davon, was er sich selbst berichten wird, wenn er wieder ins Gefängnis, in die «Grube» zurückgekehrt sein wird; denn es ist ja nicht angezeigt, als Sklave solche Worte in so hoher Gegenwart frei heraus zu äussern. Mit gieriger Aufmerksamkeit folgt der Pharao seinen Worten, und verwandelt sie Stichwort für Stichwort in einen eigenen Monolog. Der Mut, mit dem Joseph in den heiligsten pharaonischen Bereich kreuzt, und die Sonne als Gott entthront, hat etwas … Somnambules. Für den Pharao geht es jetzt um das Höchste – und schau an, er folgt auch hierin Joseph.

Grandios, wiederum opernhaft inszenierter Dialog, interpunktiert von den zynisch-realistischen Bassbeiträgen der Pharaomutter. Ein Glanzstück!

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