„Wie sich jüngst auf den Ozeanen gigantische Wirbel aus Plastikabfällen gebildet haben, deren biologischer Abbau Jahrhunderte (…) dauern wird, so könnten auf den Weltmeeren des Seelischen gewaltige Wirbel aus Götter-Rückständen entstanden sein (…). Deren Entgiftung und Rezyklierung ist theologisch, ethnologisch, psychologisch, kulturgeschichtlich und ästhetisch unerledigt.“
„So könnten entstanden sein“: So kühn Sloterdijks Vergleiche sind, er spielt das philosophische Spiel und immunisiert seine Argumentation mit Konjunktiv und rhetorischen Fragen. Aber schon im nächsten Satz „ist“ die Entgiftung dann „unerledigt“. Beispiel für eine Sloterdijksche – sagen wir mal – Zuspitzung. – Die untergegangenen Religionen oder Glaubenselemente sind viel zu selten in den Blick genommen worden. Wenn ein Glaube erlischt, spuken dann die „Theopoetica“ in den Hinterköpfen der Nachgeborenen weiter? Der Vergleich mit dem Ozean-Plastik war offenbar zu verführerisch. Viel näher liegt ein anderes Bild: Man kann sich die obsolet gewordenen Glaubensfiguren als organischen Abfall, als Humus vorstellen, auf dem dann ein nächster Gott seine Blüten treibt. Allerdings gibt es durchaus toxische Hinterlassenschaften, vom Limbus der katholischen Kirche für ungetauft gestorbene Kinder, der über Jahrhunderte gläubige Eltern in die Verzweiflung getrieben haben muss (Kirchen: Vatikan schafft Vorhölle ab – DER SPIEGEL), bis hin zur Polygynie der Mormonen. Und die Frage ist berechtigt, wie diese Elemente eines Glaubens, wenn sie dann offiziell erledigt sind, fortwirken.