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Besprechung für Den Himmel zum Sprechen bringen

Moritz T. 1 Kommentar
Besprechung:

Sloterdijk ist ein furchtloser Denker, der Zusammenhänge erschliesst, die nicht auf der Hand liegen. «Den Himmel zum Sprechen bringen» schmiegt sich in schöner Nüchternheit den theologischen Diskursen an und hebt dann ab in schwindelerregende Höhen, mit überraschenden Vergleichen und frappanten Gedankenfiguren. Wer sonst würde beispielsweise den Plastikmüll in den Weltmeeren mit den toxischen Hinterlassenschaften von obsoleten Glaubenspartikeln vergleichen?

Das Sprechen von Gott und Jenseits behandelt Sloterdijk als «Theopoetica», Gottes-Dichtungen: Zentral die Frage, wie die beispiellosen Karrieren von Bibel und Koran möglich waren, die als fragwürdige Kompilationen, bestückt mit disparaten Zitaten starteten, und schliesslich zu «seelenformenden Absoluta» wurden. Sloterdijk deckt vom alten Ägypten über die griechische und römische Antike, dem vor-mittelalterlichen Japan bis hin zu Karl Barth ein weites, zuweilen auch etwas beliebig wirkendes Feld religiöser Äusserungen und Praktiken ab. Er setzt sich mit der Psychologie des Glaubens und der Macht im religiösen Kontext auseinander. Wie kann man glaubwürdig für den Himmel, für einen Gott sprechen? Was motivierte die frühchristlichen Wüsten- oder die buddhistischen Mönche zu ihren Exerzitien und die (katholischen) Missionare zu ihrem entbehrungsreichen Leben? Oder: Wie setzte die katholische Kirche die ewige Verdammnis als Druckmittel ein, und in welche Verlegenheiten brachte sie sich damit?

Genüsslich demonstriert Sloterdijk die Absurditäten und Bizzarerien von religiösen Lehrsätzen, indem er uns beispielsweise bekannt macht mit dem Taufklistier, mit dem Hebammen einem im Mutterleib verstorbenen Fötus das Taufwasser verabreichen konnten. Er polemisiert gegen den «katholischen Surrealismus», und er bekennt an etwas versteckter Stelle, dass er sich dem Kampf gegen die «Mystifikationen», die jede Religion mit sich bringt, verschrieben hat. Aber in einem versöhnlichen Schlenker am Ende des Buches anerkennt er, dass Religionen an einen wahren Kern des «Unheimlichen» rühren, das uns umgibt, und dass Kunst und Philosophie in verwandter Mission unterwegs sind. Es ist naheliegend zu unterstellen, dass «Den Himmel zum Sprechen bringen» selbst versucht, den Himmel zum Sprechen zu bringen, mithin auch Theopoeticum ist. Dem Niedergang des Christentums als Staatsreligion gewinnt der Autor eine positive Seite ab – die Religionsfreiheit ist eben auch die Freiheit der Religion, sich zu entschlacken und neu zu orientieren.

 

Wer von einem Philosophen bruchfeste Beweisführung für eine These erwartet, wird von Sloterdijk immer enttäuscht sein. Diese Erwartung kann zu Verkrampfung und Frustration bei der Lektüre führen, so ähnlich, wie wenn man in einem free jazz – Konzert vergeblich grosse Melodienbögen und stringente Durchführung eines Themas erwartet. Vielleicht muss man den Autor weniger als akademischen Philosophen verstehen, der er ja über viele Jahre war, denn als Gedankenkünstler. Auffällig im Kontext ist die Orientierung am auch oft zitierten Nietzsche. – Dann bestünde eine adäquate Lektüre im Sich-Treibenlassen durch die Seiten und Sich-Erfreuen an den Gedankenblitzen. Das schliesst dann gelegentliche Ermüdungserscheinungen über die knapp 350 Seiten nicht aus.

 

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badnewsfromhome

Danke für die Rezension, die zu meinen Sloterdijk-Erfahrungen passt. Zusammen mit den Zitat-Kommentaren kann man ein gutes Bild von diesen Unternehmungen gewinnen, die sich in den Grundzügen ja ähneln. Sein ideologischer Liberalismus, für den ihn die NZZ so schätzt, hat ihn mir immer etwas suspekt gemacht. Soziale Ungerechtigkeit hat ihn nie interessiert, was sich in manchen Diagnosen als ein etwas lächerlicher blinder Dandy-Fleck erweist. Wie es in diesem Buch darum steht, weiss ich natürlich nicht.

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