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Besprechung für Die Welt der schönen Bilder

Moritz T. Keine Kommentare
Besprechung:

Laurence ist verheiratet, lebt mit Mann und zwei Töchtern in Paris in sehr guten Verhältnissen.  Sie arbeitet im Marketing in einer Kaderposition, hat einen Geliebten, ist aber durchaus auch glücklich mit ihrem Ehemann.

Das ist die perfekte Ausgangslage, die die Autorin inszeniert, um sie dann zu unterminieren. Laurence stellt sich immer wieder die Frage, ob ihre etwas fehlt, was die anderen haben: Selbstbewusstsein, Sicherheit in den sozialen Aktionen. Gleichzeitig machen ihre Mutter (ihr Partner verlässt sie) und ihre Tochter (sie wirkt verängstigt, stellt Fragen, die Schulnoten lassen nach) eine Krise durch. Laurence engagiert sich und versucht zu helfen; dabei wird sie von ihrem Mann nicht unterstützt, der vor allem seine Ruhe will und dass seine Tochter gute Noten nach Hause bringt. Laurence durchschaut das oberflächliche Statusdenken der Mama, und versteht die Unruhe ihrer Tochter, die eine erste Ahnung von Ungerechtigkeit und Fragilität der Welt überkommt.

Papa ist Laurences bewunderter Anker. Er ist belesen, interessiert sich für Kultur, ruht in sich selbst, steht über den Dingen. Als sie aber auf einer gemeinsamen Griechenland-Reise feststellt, dass auch Papa in seiner eigenen Welt gefangen ist, und kein Sensorium hat für ihre Empfindungen, erleidet Laurence einen Zusammenbruch. Sie verweigert jegliche Nahrung, und sie muss von ihrer Familie gepflegt werden. Die Erzählung endet aber auf einer positiven Note der Selbstermächtigung, Laurence setzt sich gegen ihren Ehemann durch: die psychologische Betreuung der Tochter wird abgebrochen, die daraufhin abzielte, sie vor potentiell beunruhigenden Erfahrungen zu schützen. Laurence formuliert das drastisch: Das Leben «mordet» den jungen Menschen, indem Offenheit und Empfindsamkeit zurück gestutzt werden und man sich den Konventionen ergibt. Das soll der Tochter nicht passieren. Pointe des Romans: Laurence hat erkannt, dass nicht ihr etwas fehlt, sondern „den anderen“, nämlich Sensibilität und Reflexion jenseits vorgegebener Schablonen.

Mal redet die Heldin Laurence in der Ich-Form, mal wird von ihr in der dritten Person gehandelt; fliessender Übergang. Damit erzielt die Autorin einen interessanten Effekt, man nimmt Laurence in einer Halbdistanz wahr.

Erstaunlich, wie aktuell gewisse Themen mehr als 50 Jahre nach dem Erscheinen des Buches geblieben sind (Beispiel Künstliche Intelligenz, oder die Suche nach einer hippen Feriendestination).

Vereinzelt gelingen der Autorin eindringliche Passagen und Sätze. Allerdings ist die Grundkonstellation des Romans doch arg schematisch. Die Einblicke in Laurences Berufsleben wirken klischeehaft und etwas schwerfällig. Der Erzählung fehlt es an Ironie und Leichtigkeit, sie steht allzu sehr im Dienst der Entlarvung der hohlen Konventionen der Bourgeoisie. Das geschickt inszenierte Ende animiert den Leser immerhin zum Nachdenken: Laurence hat einen kleinen Sieg errungen, aber sie scheint den grossen Ausbruch nicht zu wagen. Wie wird sich das Verhältnis zu ihrem Mann und zu ihren Eltern entwickeln?

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