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Besprechung für Grenzfahrt

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Besprechung:

Der Roman spielt während des Zweiten Weltkriegs in einer sehr ländlich geprägten Umgebung in Ostpolen nahe an einem Fluss, der im Geschehen eine wichtige Rolle spielt. In verschiedenen Strängen geht es um einen hauptsächlich als Fährmann agierenden Polen, der mit seinem Boot immer wieder verschiedenste Personen, etwa fliehende Juden, gejagte Kommunisten oder Handel treibende Schmuggler, bei Nacht und Nebel auf die andere Seite des Flusses bringt und sich mit den deutschen Okkupanten arrangiert, oder um eine Partisanengruppe aus versprengten, zum Teil überwiegend jungen und unerfahrenen Polen oder um zwei jungen jüdischen Menschen aus wohlhabenden Hause, die auf der Flucht sind und von einem besseren Leben im kommunistischen Russland träumen. Überwölbt wird der Roman von einem weiteren, in der ersten Person erzählten Strang, in dem in der Gegenwart mitten in der Corona-Zeit ein Pole die Schauplätze am Fluss mit seinem Auto abfährt, den verfallenen Hof besucht, in dem er seine Kindheit verbracht hat, und immer mal wieder seinen alten Vater zu seinen Erinnerungen an den Krieg befragt.

Anfangs bleibt vieles im Dunkeln, jedes Kapitel springt mitten in die Szene, es werden zunächst überhaupt keine Namen genannt, weder von Figuren noch von Orten, auch Jahreszahlen kommen praktisch nicht vor. Nach und nach kommt Licht ins Dunkel, es fallen in Dialogen vereinzelt Namen, die Details fügen sich zu einem größeren Bild zusammen, dies alles aber nur ganz allmählich, wie zufällig, fast zäh, und auch nur auf eine Art und Weise, dass immer noch Fragen bleiben und nicht alles bis ins Letzte enträtselt wird.

Auch wenn Zeit und Schauplatz eng begrenzt sind, bleiben dem Leser eine gewisse Komplexität und Vielfalt nicht erspart.  Es wird sehr genau beschrieben und plastisch erzählt, vor allem Gerüche spielen eine hervorgehobene Rolle, es wird aber auch viel reflektiert, es ist streckenweise höchst konkret, derb und deftig, und dann wieder versonnen, gedankenschwer, gelegentlich geradezu philosophisch und erkenntnistheoretisch. Der Roman hat etwas Schonungsloses und Verstörendes, er wird mitunter von einer bitteren und bissigen Ironie begleitet, und am Ende mag man denken, dass dies vielleicht auch eine Art und Weise ist, sich dem Unsagbaren, dem Abgründigen, dem Singulären, das die Ereignisse in sich trugen, zu nähern.

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