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Besprechung für Verlangen nach Musik und Gebirge

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Besprechung:

Das Setting des Romans ist schnell erzählt: Eine mehr oder weniger zufällig zusammengewürfelte Gruppe von Touristen verbringt einige Tage zur Erholung im belgischen Oostende und unternimmt unter der Führung eines distinguierten Parfumhändlers aus Antwerpen gemeinsame Ausflüge. Es geht um Menschen, ihre Neigungen und Begierden, ihre Eitelkeiten, ihre Schwächen, es geht um die Kunst, um Schönheit und deren Wirkung, es geht um Schandtaten der Architektur, es geht um das das Meer und das Gebirge, und es geht natürlich um die Liebe oder das, was die Menschen dafür halten.  Vor allem aber geht es um Schein und Illusion.

Im Wechsel werden dem Leser tiefsinnige Reflexionen über die menschliche Psyche, Kunst und Politik, kenntnisreiche Geschichtslektionen und sehr feine, wenn mitunter auch banale Beobachtungen hinsichtlich Kleidung, Frisuren und Gesten dargeboten. Auch an beissender Gesellschaftskritik wird nicht gespart, auch wenn diese gelegentlich – oder nur vermeintlich? – gleich wieder relativiert wird. Es ist ein Feuerwerk an brillanten Formulierungen und originellen Bildern, und obendrein erwartet den Leser ganz unverhofft ein sechzigseitiges durchkomponiertes, in schöne Verse gekleidetes Libretto, das sich in punkto Lesefluss geradezu als Wohltat erweist.

Dennoch kommt man nicht umhin festzustellen, dass das Buch anstrengend ist. Dabei muss man einräumen, dass das Problem möglicherweise weniger bei der Autorin als beim wenn auch geneigten Leser liegt, der ihr in ihren übermässig gespreizten Sätzen mit ihren zahlreichen Einschüben und Anhängseln, den vielen Anspielungen und den unzähligen auf die Spitze getriebenen Verklausulierungen nicht immer zu folgen vermag (Lieblingswort: Flehmen). Das Buch verlangt hohe Konzentration und grosse Ausdauer. Es gibt eine Dramaturgie, die in dem Sinne durchaus gekonnt ist, als vor allem die geheimnisvolle Erzählinstanz, die keine Freundin der Ersten-Person-Perspektive ist, immer mal wieder kurz den Schleier lüftet und dem gierigen Leser einen weiteren Brocken hinwirft und ihm damit in Erinnerung ruft: Es handelt sich tatsächlich um einen Menschen, der auch Gefühle und Sehnsüchte hat.

Das Ganze hat etwas Furioses und unerhört Originelles, gleichzeitig ist es aber auch eine Zumutung sondergleichen. Bleibt die Frage – zumal sich die Erzählinstanz so unnahbar und abgeklärt gibt und sie doch so wissend über den Dingen zu stehen scheint (oder tut sie nur so?): Wieso erzählt sie einem das alles? Ist das Mitteilungsbedürfnis so gross? Gibt es eine Botschaft? Oder ist das Ganze einfach ein Streifzug durch das ganz normale verrückte Leben? Man weiss es nicht.

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