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Schlusskapitel

Anmerkung:

In den Schlusskapiteln fasst Tomasello seine These zusammen: Kollektive Intentionalität, im Laufe der Evolution beim Menschen ausgebildet, nicht aber bei den Menschenaffen, sorgt für den entscheidenden Unterschied zwischen den Spezies. Kultur, kulturelle Artefakte sind natürlich wichtig für die menschliche Ontogenese, wie das Vygotskij hervorhebt, aber entscheidender ist das, was diese Kultur erst ermöglicht: kollektive Intentionalität. Tomasello argumentiert in diesen Passagen stringent, wenn er die Limiten anderer wissenschaftlicher Ansätze durchgeht. Auch die Sprache ist eher Ausdruck dieser, wie Tomasello zu oft betont, einzigartigen menschlichen Fähigkeit der kollektiven Intentionalität, und nicht die Ursache für die Differenz zu den Menschenaffen.– Wichtig ist, dass die kollektive Intentionalität, einmal entwickelt, auf alle möglichen Bereiche des menschlichen Lebens angewendet wird, nicht nur für den Bereich, in dem sie sich in der Evolution ausgebildet hat (wobei man da nochmals genauer nachlesen müsste!). Bei sehr ähnlicher genetischer Disposition resultiert daraus eine markant andere Ausprägung in der Ontogenese, wenn man Menschen mit Menschenaffen vergleicht.

Tomasello beschreibt die kollektive Intentionalität durchwegs mit positiv konnotierten Begriffen, Fairness, Respekt, Vernunft. Er hantiert auch unbefangen mit einem problematischen Begriff wie der Objektivität, die erst durch kollektive Intentionalität ermöglicht werde. Das ist bei den Aspekten, die für den Autor in diesem Buch im Vordergrund stehen, verständlich. Dennoch irritiert es ein klein wenig, dass er auf negativ konnotierte Begriffe wie Gruppendruck, Mobbing, Asozialität, die man mit der kollektiven Intentionalität mindestens sekundär auch in Verbindung bringen könnte, mit keinem Wort eingeht. Schade auch, dass sich Tomasello – abgesehen von Seitenblicken auf den Autismus – nicht der möglichen Verweigerung oder bewussten Abwendung von einer (spezifischen) kollektiven Intentionalität widmet, «einzigartige» Option für den Menschen, und vielleicht für die Entwicklung der Spezies von Belang.

Aber Tomasello vermittelt wichtige Einsichten, und regt zu weiteren Überlegungen an. Die Entwicklung der kollektiven Intentionalität in der Evolution dieser einen Spezies scheint für das gesamten Ökosystems einen ungeheuren Impact zu haben.

In den Schlussabschnitten verteidigt Tomasello die Anordnung seiner Experimente gegen Kritik von verschiedenen Seiten, gegen «Affenspötter», für die Tomasello die Rolle der Menschenaffen zu hoch einschätzt, im Vergleich zu den Menschen, genauso wie gegen «Affenenthusiasten». Auch hier scheint die Argumentation plausibel.

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