«Das wohlverstandene libertarische Andersdenken ist also ein Weiterüberlegenkönnen.»
Es geht im Kontext darum, wie aus libertarischer Position ein anderer Entscheid B hätten getroffen werden können als der tatsächlich getroffene Entscheid A. Willensfreiheit impliziert ja, dass ich die Wahl gehabt habe; ist denn vorstellbar, was mich zu Entscheid B hätte bringen können in genau dieser Situation? Etwas hat ja den Ausschlag gegeben für den Willensentscheid. Das ist heikel, GK vertritt ja keine «akteurskausale» Position, in der eine Person sich einfach (ohne weitere Ursache) entweder für A oder B entscheiden kann. Wie ist eine Wahlfreiheit also in einer solchen Situation möglich? GK überrascht hier mit einem auf den ersten Blick schwachen Argument: ich hätte noch länger überlegen können, und es mir dann eben anders überlegen können. Das verschiebt aber bloss die Problematik:
Person X stellt Überlegungen an, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Nehmen wir mal, X erwägt eine Entscheid-Option A und eine Entscheid-Option B (es wird in der Praxis immer mehr / Subvarianten geben). X neigt zum Zeitpunkt 1 zur Entscheid-Option A, er beschliesst aber nochmals darüber zu schlafen, und entscheidet sich dann im Zeitpunkt 2 für Option B. Wenn wir aber den Zeitpunkt 1 genauer in den Blick nehmen, dann geht es dort genauso um einen Entscheid wie zum Zeitpunkt 2. Person X entscheidet sich zum Zeitpunkt 1 für Variante C, nämlich vorläufig nichts zu tun. Er wird dies nur aus Gründen tun können, und damit sind wir zurück auf Feld 1. GK bahnt sich hier nur den Weg in einen Regress.
Auf den Folgeseiten (p. 151/2) sieht GK zwar diesen Einwand, aber er macht die Sache nur noch schlimmer. Er argumentiert: „Freilich wäre weiterzuüberlegen eine andere Handlung gewesen als F. Ich habe mich oben mit dem Verlegenheitsausdruck einer ‚gegenteiligen‘ Handlung beholfen, um die Unvereinbarkeit von non-F mit dem aktuellen Urteil des Handelnden auszudrücken.“ (p. 151). Die Verlegenheit ist in der Tat sehr gross. Warum soll eine mögliche Alternative zu F nur in einer „gegenteiligen Handlung“ bestehen? – Offen gestanden sehe ich nur einen Grund: Um dieser merkwürdigen, fehlgeleiteten Argumentation einen Hauch von Legitimität zu verleihen.
Dennoch sehr begrüssenswert, dass GK endlich materiell auf Willensbildung / Entscheidungen eingeht.