«Hätte der Akteur die gegenteilige Handlung begonnen, so hätte er wider bessere Einsicht gehandelt, mithin irrational.»
Die postulierte Willensfreiheit erfordert den Nachweis, dass eine Person sich irgendwann auch anders hätte entscheiden können. In einem Prozess der Entscheidungsfindung haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt klare Argumente für eine bestimmte Handlung A herausgeschält. GK geht es jetzt nur darum zu sagen, dass dies nicht der Zeitpunkt ist, an dem sich eine Person für eine andere Handlungsoption B entscheidet – es sei denn, er handle irrational – , er will dann auf dieser Basis weiter argumentieren.
Aber der zitierte Satz irritiert, und lässt für eine materielle Auseinandersetzung mit den Willensbildungs-Prozessen nichts Gutes ahnen. Warum diese Beschränkung auf einen „rationalen Akteur“? Wenn eine Person sich plötzlich gegen eine aufgebaute Argumentationskette für eine andere Option entscheidet, dann muss das doch ein ebenso freier Willensentscheid sein können, wie wenn sich die Person erst die Bausteine für die Gegenargumentation zusammensucht. Oder will GK ernsthaft behaupten, dass sich ein Bauchgefühl-Entscheid, der gegen alle rationalen Argumente (=“bessere Einsicht“) zustande kommt, im Hinblick auf die Willensfreiheit weniger qualifiziert ist als ein Entscheid, den ich mir mit Argumenten zurechtlege (für die im Hintergrund wohlgemerkt genauso irrationale Motive mitspielen können)?
Ich glaube, die Rationalität ist GK in diesem Punkt wichtig. An anderer Stelle war nach meiner Erinnerung von Intellegibilität oder einer intellegiblen Willensbildung die Rede. Natürlich ist de Frage berechtigt, warum irrationale Willensentscheidungen nicht genauso Willensfreiheit verkörpern wir rationale. Ich hatte es so verstanden, dass GK eine gewisse Nachvollziehbarkeit/Sinnhaftigkeit einfordert, weil die Entscheidung ansonsten etwas Erratisches hat. Eine Entscheidung, die einfach irgendwie ausfällt, wirkt unmotiviert, man kann gewissermassen ihren Ursprung nicht auf das handelnde Subjekt zurückverfolgen, und dies gehört zu den Freiheitsbedingungen. Zufällige Entscheidungen sind keine freien Entscheidungen, freie Entscheidungen erfolgen auf Grundlage von Gründen. Daher wendet GK den Kniff der zeitlichen Verschiebung an: Im gegebenen Moment kann die Person zwar nicht einfach B anstatt A wählen, aber sie kann weiterüberlegen, und nach dem Weiterüberlegen kann sie dann aus einem anderen Grund B wählen. Das Weiterüberlegen eröffnent also die Möglichkeit, einen Grund durch einen anderen zu ersetzen.
Ich stimme Dir aber in Deinem Kommentar weiter oben hundertprozentig zu, dass das Weiterüberlegen zum Zeitpunkt 1 eigentlich eine Entscheidung C ist, die ihrerseits auch wieder begründet werden müsste. Daher glaube ich auch, dass dieses von GK skizzierte Modell des Weiterüberlegens die libertarische Position nicht wirklich rettet.