Besprechung für Poor Things
Viele haben den Film von Yorgos Lánthimos gesehen – wer die literarische Vorlage von Alasdair Gray noch nicht kennt: «Poor Things» von Alasdair Gray ist ein grossartiger satirischer Roman, der sich den Gothic Novel sozialkritisch aneignet.
Bella Baxter wurde von Godwin Baxter aus einer Leiche und einem ungeborenen Kind zusammengesetzt, in bester Tradition des englischen Schauerromans. Es ist Godwins Assistent McCandless, der die Geschichte erzählt – anders als im Film gibt es aber noch einen zweiten Teil, in dem Belle/Victoria die Geschichte ihres (späteren) Gatten korrigieren kann.
McCandless verliebt sich natürlich in die schöne Belle; diese will aber lieber mit einem attraktiveren Mann verreisen. Und – wie im Film – dies passiert dann auch. In Paris trifft sie (anders als im Film) Charcot, den auch Bram Stoker in «Dracula» erwähnt. Ihre Genese erinnert natürlich nicht von ungefähr an diese von Frankensteins Monster in Mary Shelleys Klassiker.
Und auch der sozialkritische Duktus erinnert natürlich an Mary Shelleys epochales Werk. Alasdair Grays Roman ist ein grossartiges, witziges, sozialkritisches, historisch fundierter (aber natürlich fantastischer) Roman; der natürlich aber doch ganz in unserer Zeit verwurzelt ist, oder zumindest der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, vielleicht sogar noch besser und genauer: in den 1990er Jahren. Gray ist einer der wichtigsten schottischen Autoren des 20. Jahrhunderts; und nicht nur Schreiben war sein Metier: er hat den Roman auch selber gestaltet und illustriert. «Poor Things» ist also nicht zuletzt auch ein grosses visuelles Vergnügen!