«Offenbar reichen [nichtstrikte, störbare Regularitäten] aus, denn es ist ja weniger eine philosophische These als ein schwer zu leugnender Befund, dass es keine empirisch wahren Sukzessionsgesetze über tatsächliche Ereignisverläufe gibt. So gesehen ist Kants Frage, wie in einer kausalgesetzlich geordneten Welt freie menschliche Handlungen möglich seien, falsch gestellt. Sie muss vom Kopf auf die Füsse gestellt werden und lautet dann: Wie sollte es in einer Welt, deren Verläufe durch Handlungen gestört werden können, strikte Verlaufsgesetze geben können?»
Hintergrund: Kants Annahme, dass nur mit strikten, ausnahmslosen Regularitäten / Verlaufsgesetzen die «Einheit der Erfahrung» gewährleistet ist. GK widerspricht dem hier.
GK sagt mit einigem Recht, dass es keine empirisch wahren Sukzessionsgesetze über tatsächliche Ereignisverläufe gibt, ausserhalb von Laborbedingungen. Zugespitzt läuft das Argument wieder auf den universalen Determinismus hinaus, der sich nur beweisen liesse, wenn wir die Welt nachbauen und kopieren könnten etc. Empirisch = uns bekannt, nachweisbar. Wir können nicht einmal retrospektiv lückenlos aufzeigen, warum sich ein Ereignis genauso gestaltet hat, wie es eben abgelaufen ist. Ganz zu schweigen von zukünftigen Ereignissen. – Das heisst natürlich nicht, dass es solche lückenlosen Sukzessionsgesetze nicht gibt, aber GK klammert diesen Aspekt für den Moment aus. So weit, so gut. Es irritiert dann aber, dass GKs Formulierung im Fragesatz durch die Hintertür wieder einen Dualismus einzuführen scheint: so als ob es hier Verläufe und da Handlungen gebe, und letztere erstere stören können. Handlungen müssten doch integraler Bestandteil von Verläufen sein?
Ich verstehe das so, dass GK „Verläufe“ mit dem physikalischen Geschehen assoziiert („fallender Stein“), und diese von Handlungen abgrenzt, die ja nicht einfach so ohne Zutun verlaufen, sondern von eimer Person aus Gründen initiiert werden. GK würde das nicht als Dualismus auffassen, weil er ja nicht bestreitet, dass mentale Ereignisse ihr neuronales Substrat hätten – was immer das auch genau bedeuten mag. Er scheint vielmehr zu behaupten, unsere physikalische Welt lasse Verläufe und Handlungen gleichermassen zu.
Mich irritiert vor allem, mit welcher Inbrunst GK auf den empirischen wahren Sukzessionsgesetzen beharrt und im weiteren Verlauf im Wesentlichen die Huemesche Auffassung vertritt, Naturgesetzte seien lediglich Generalisierungen davon. Mir liegt nichts ferner als diese Sicht. Es ist fast trivial, dass fast nie genau dieselben Ereignisse nacheinadner ablaufen, so dass es streng genommen kaum strikte Sukzessionsgesetze geben kann, weil eben fast immer irgend etwas dazwischen kommt. Der fallende Stein fällt nie genau gleich, weil Luftreibung dazukommt, Luftfeuchtigkeit einen Einfluss hat, Strömungen vorliegen usw. – der betrachtete Vorgang ist praktisch immer durch gewisse Umstände gestört. Die Abstraktion vom Monokausalen auf das Multikausale (=mehrere, unabhängig voneinander einwirkende Kräfte) scheint er aber nicht zuzulassen. Das ist sein Totschlagargument, das für mich nicht stimmig ist.