Unterkapitel „Der Beitrag von Reifung und Erfahrung“ hinsichtlich der Ausbildung von gemeinsamer Intentionalität
Es wird dargestellt, dass die Ausbildung der betreffenden Kompetenzen a) in einer recht engen Altersspanne und b) kulturübergreifend in nahezu identischer Weise erfolgt. Dies wird als Indiz für einen starken Beitrag einer Reifungskomponente gewertet, was in T.’s Sprachgebrauch heisst, dass die genetischen Voraussetzungen eine wesentliche Rolle spielen. Das ist für sich gesehen durchaus interessant und erhellend. Interessant wäre aber auch hier der Vergleich zu Menschenaffen: Kann man die wenigen Unterschiede im Genom, die es zwischen Menschenaffen und Menschen gibt, in einen Zusammenhang bringen mit dem Unterschieden in den Entwicklungspfaden? Dies wäre dann eigentlich erst eine biologische Antwort auf die Frage nach der Entstehung spezifisch menschlicher Kompetenzen.
Da sind wir genau beim Punkt, der meine Kritik mangelnder methodologischer Reflektiertheit bei T auslöst. Er müsste zu aller erst den Zush zwischen Phylogenese und Ontogenese genauer klären. Er müsste Unterschiede der Ontogenese bei Menschenaffen und Menschen darlegen. Er müsste dann die Idee explizieren, dass zwar auch die Ontogenese genetisch gesteuert wird, dass aber – in mehreren Stufen – zwar nicht-genetisch Gesteuertes aber evolutionär (sensu lato) Revolutionäres möglich wird, wenn bei diesem zwar genetisch gesteuerten Prozess ‚Leerstellen’/’Fenster‘ enstehen, Stellen also wo das sich entwickelnde Individuum OFFEN wird für Prägungen und immer komplexere Lernerfahrungen durch bzw. mit Umweltwirkungen. Durch das zeitliche Verlängern der nachgeburtlichen Ontogenese bzw. das zunehmend (im Vergleich zu den Menschaffen) frühgeburtlichere Zurweltkommen des Menschenfötus werden die Möglichkeiten zu solchen Leer- bzw. Lernstellen extrem erweitert.
T äussert sich wohlweislich (vgl REIMANN) nicht dazu, wie die Fähigkeit zur Aufmeksamkeitslenkung bzw. Intentionalität im Rahmen dieser Wechselwirkung zwischen genetisch zielgenau gesteuerten Merkmalen und genetisch ‚offerierten‘ Offenstellen zu denken ist. Ich will ihm nicht zum Vorwurf machen, dass er hierzu nicht abschliessende Antworten hat, aber er müsste die Problematik thematisieren, also seine Argumentationslogik offen legen!!!