Abschnitt 5.5: rafrechtliche Zurechnung und Schuldfähigkeit, u.a. S. 187: Die Nichtanwendung des Kantschen Galgentests „verschenkt freiheitstheoretisch eine wichtige Differenz.“
GK zitiert Kant mit seinem Galgentest, der besagt, dass Süchtige, Triebtäter usw. sehr wohl von ihren Taten abzubringen wären, wenn man sie mit dem Galgen konfrontieren würde. GK beruft sich darauf, um dafür zu argumentieren, dass die Schuldfähigkeit faktisch sehr oft auch dann gegeben ist, auch wenn in der Gerichtspraxis oftmals von verminderter oder nicht vorhandener Schuldfähigkeit ausgegangen wird, weil die Personen sehr wohl anders hätten handeln können, sofern man ihnen nur andere (drastische) Konsequenzen in Aussicht gestellt hätte.
Ich frage mich, wie stichhaltig diese Argumentation ist: Wenn ich jemandem Folter androhe, ist er sicher zu Dingen bereit, die er sonst nicht tun würde, aber das hat ja nichts mit der Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der begangenen Tat zu tun, sondern schlicht mit der Angst um Leib und Leben.
Der Galgentest mag grundsätzlich als ein Argument für das Anderskönnen herangezogen werden, er ist aber untauglich, jemandem eine intakte Willensbildungsfähigkeit zu attestieren, weil es nicht nur ums grundsätzliche Anderskönnen, sondern ums Anderskönnen aus den richtigen Gründen – die Einsicht in das Unrecht – geht.