Besprechung für The Ambassadors
Ein junger Amerikaner aus reicher Familie, Chad Newsome, dehnt seinen Aufenthalt in Paris über Gebühr aus. Das Ziel der «Ambassadors», die Chads Mutter auf den Weg über den Atlantik schickt: Chad zur Heimkehr und zur Übernahme des Familien-Unternehmens zu bewegen. Der erste Abgesandte ist die Hauptfigur des Romans, Lambert Strether, ein 55-jähriger Witwer, der mit Chads Mutter liiert ist und der nach erfolgreichem Abschluss der Mission der Heirat mit Mrs Newsome entgegenblicken kann, die ihn aller materiellen Sorgen entheben wird. Aber Strether findet einen Chad vor, der sich sehr zu seinem Vorteil verändert hat, und dem das europäische Umfeld ganz offensichtlich guttut. Strether übt keinen Druck auf Chad zur Rückkehr aus. Im Gegenteil: Strether selbst gewinnt dem European Way of Life einiges ab, und baut enge Beziehungen zu Chads älterer Geliebten Mme de Vionnet und zu Maria Gostrey, einer amerikanischen Expat, auf. Europäische Sensibilität hier und amerikanischer Pragmatismus da ist ein grosses Thema des Romans. Über weite Strecken wird dieser Gegensatz aber nur in Dialogen verhandelt, man vermisst atmosphärische Eindrücke aus Paris, die mit dem Leben in Massachusetts kontrastieren.
Als von Strether nicht die erwünschten Signale kommen, zündet Mrs Newsome die nächste Eskalationsstufe und sendet eine neue Delegation rund um ihre Tochter (und Chads Schwester) Sarah aus. Sarah bezichtigt Strether der Illoyalität, das bedeutet das Ende der Heiratspläne von Strether und Mrs Newsome; die Rückkehr Chads zeichnet sich ab.
Wir folgen im Prinzip einem langen inneren Monolog der Hauptfigur Lambert Strether, vom Erzähler gern auch als «our friend» bezeichnet, interpunktiert von Dialogen mit den anderen Figuren, die sich im Wesentlichen immer um die Frage dreht, ob Chad nun zurück in die USA gehen soll. Die Überlegungen von Strether sind in vielerlei Brechungen und Nuancen dargestellt, Beweggründe und Ziele dieser oder jener Aussage einer Figur werden analysiert, erst mit der einen Partnerin, dann mit der anderen. So können viele Seiten aufgewendet werden für die Beschreibung einer Aussage oder eines Verhaltens, dabei bleibt das Vokabular zuweilen erstaunlich eintönig: unzählige Male wird jemand als «wonderful» charakterisiert, wobei je nach Kontext leicht unterschiedliche Bedeutungen damit verbunden sein können.
Es hat etwas Unwahrscheinliches oder Konstruiertes, wie Chads Entscheidung so viel nachhaltiges Interesse von so viel verschiedenen Personen auf sich zieht. Chad selbst tritt nur wenig in Erscheinung, geschickter Schachzug des Autors, er dient um so mehr als Projektionsfläche für Wünsche und Befürchtungen anderer Figuren.
Henry James hatte um 1900 den inneren Monolog, den Bewusstseinsstrom als Stilmittel entdeckt, und er setzt es in diesem Roman geradezu exzessiv ein, so, als könnte er damit definitiv erklären, was die Menschenwelt im Inneren zusammenhält. Gewiss, das Ausleuchten der Befindlichkeiten und der Veränderungen in der Haltung von Lambert Strether ist virtuos, in allen Nuancen und Andeutungen. Dennoch hat diese anspruchsvolle Prosa, gerade in ihrer Ausführlichkeit und im konsequenten Arbeiten mit dem inneren Monolog, aus heutiger Sicht etwas Steril-Museales.