Aare
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Besprechung
Moritz T.
«Ich vermisse meine Dauergäste.»
Der Fährmann registriert, wenn die Stammkunden ausbleiben.
«Temperatur Aare, 16.40 Uhr: 23.7 Grad Celsius. Rekord seit 1864.»
Gefolgt von einem kurzen historischen Exkurs ins Jahr 1864. Wir erfahren, dass damals ein polnischer Rebellenführer von den Russen verhaftet wurde, weit weg von der Aare, vermutlich. Auflockerung.
«Das Türkisgrün erhält eine leichte Warmgraukomponente.»
Durch die Algen, die die Kiesel besiedeln. Folge der hohen Temperatur. Der Fährmann hat sein Fahrwasser genau im Blick. Und die Frage nach dem Grün der Aare beschäftigt ihn noch ausführlich, vgl. zB p. 51/2.
«Gegen Abend sitze ich auf der Terrasse und beobachte den Kleiber am Stamm der Buche. Er bohrt minutenlang an der gleichen Stelle, bis er mit einer Beute im Schnabel davonzieht, vielleicht einer Raupe.»
Nicht immer ist Sonntag und schönes Wetter und Hochbetrieb. Es gibt auch Momente der Ruhe. Kein Fahrgast wartet.
«Ich atme befreit aus.»
Gibt auch unangenehme Fahrgäste. Der Fährmann beschleunigt die Fahrt, um sie schnell loszuwerden.
Live-Reportage einer Überfahrt
Ein Fahrgast kommentiert atemlos die ganze Überfahrt für seinen Hund, jede Aktion des Fährmanns wird erklärt, zwischendurch wird der Hund Tim oder Bubu über alle Massen gelobt («Weltklasse»). Schön wiedergegeben.
Mythos des Fährmanns
Neben den statistischen, naturkundlichen oder historischen Exkursen darf auch die Mythologie nicht fehlen. Geschickt eingestreut, angenehm kurz gehalten.
«Statistik der Abflussmenge der letzten 48 Stunden»
Im Herbst bei trübem Wetter machen sich die Fahrgäste rar. Der Fährmann hat Zeit für anderes. Veränderung von Wasserstand, Abflussmenge und Wasserfarbe werden wissenschaftlich genau festgehalten, aber mit einem Augenzwinkern. Erst wird konstatiert «Milchkaffeefarbig (dick)», fünf Stunden später dann «Milchkaffeefarbig (dünn)».
«Wenn ich während meiner Arbeit auf Gäste zu warten beginne, kann dies an ruhigen Tagen so ermüdend werden wie die Arbeit bei einer Schlauchbootinvasion im Sommer. Beim Warten werde ich angespannt und meine Konzentration ist diffus auf eine ungewisse Zukunft gerichtet, auf Gäste, auf Arbeit.»
Interessante Selbst-Beobachtung. Das Ausbleiben von Gästen (etwa bei schlechtem Wetter) kann auch anstrengend sein. Der Fährmann lernt damit umzugehen, er konzentriert sich in dieser Zeit auf «Nebenarbeiten». «Wenn es keine mehr gibt, erfinde ich welche».
Transportumfang 2018: 36’932 Passagiere
Stattliche Anzahl. Das sind im Schnitt 100 Fahrgäste pro Tag. Maximal können pro Fahrt 16 Gäste übergesetzt werden.
Dialog mit zwei Frauen
Der Fährmann erklärt, dass ihm als junger Mann der Job als Fährmann «nicht gereicht» hätte. Interessant ist seine Begründung: er habe sich damals «noch nicht gut genug» gekannt.
Lob und Dank einer Kundin
Etwas gar formelles, künstliches wirkendes Dankeschön einer elegant gekleideten Frau, das der Fährmann eher kühl erwidert. Leichte Spannung während der Überfahrt. – Der Autor versteht es, solche Situation lebhaft wiederzugeben.