Im Allgemeinen werden wir von Unruhe erfasst, wenn wir hell glänzende Dinge sehen.
Kommentar
Der Satz stammt aus dem Essay «Lob des Schattens», den Tanizaki Jun’ichiro im japanischen Original 1933 publizierte. Der Essay ist ein Manifest des Widerstands gegen die Vereinnahmung Japans durch die westliche Ästhetik. «Hell glänzend» ist im Westen tendenziell positiv besetzt, wir assoziieren damit neu, sauber, anziehend. Dagegen preist der japanische Autor das Zwielicht, das Abgedunkelte.
Bald 100 Jahre später kann man auf den ersten Blick der Meinung sein, dass sich der Westen durchgesetzt hat; man muss nur einmal durch Toykos Ginza-Distrikt spazieren, wo alles blinkt und gleisst. Wenn man dann aber eine kleine Sushibar betritt, kann einen eine wohltuend gedämpfte Atmosphäre empfangen, wo immer noch die alten japanischen Grundsätze zu gelten scheinen, die der Autor wie folgt formuliert:
«Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.» (p. 58).
Der Fokus der traditionellen japanischen Ästhetik, der der Autor das Wort redet, gilt nicht einem Objekt, sondern dem Licht in all seinen Schattierungen, die rund um Objekte entstehen. Das matte, abgedunkelte, undeutliche beruhigt und regt zugleich die Sinne, die Phantasie an. Eine Kalligraphie beispielsweise kommt am besten in einem Zimmer im Hintergrund zur Geltung, eine Vase in einer nicht ausgeleuchteten Nische. Man könnte vielleicht sagen, dass das Schattenspiel erst die Dinge in ein schönes Gesamtes integriert.
Japan hat die westliche Ästhetik übernommen und die eigene bewahrt; es ist diese Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Welten, die zur Faszination Japans beiträgt.
Flyer - Lesart.blog
Abonnieren Sie den «Buch im Fokus» - Newsletter
wpDiscuz
0
0
Wir freuen uns, wenn Sie einen Kommentar schreiben!x
Kommentar
Der Satz stammt aus dem Essay «Lob des Schattens», den Tanizaki Jun’ichiro im japanischen Original 1933 publizierte. Der Essay ist ein Manifest des Widerstands gegen die Vereinnahmung Japans durch die westliche Ästhetik. «Hell glänzend» ist im Westen tendenziell positiv besetzt, wir assoziieren damit neu, sauber, anziehend. Dagegen preist der japanische Autor das Zwielicht, das Abgedunkelte.
Bald 100 Jahre später kann man auf den ersten Blick der Meinung sein, dass sich der Westen durchgesetzt hat; man muss nur einmal durch Toykos Ginza-Distrikt spazieren, wo alles blinkt und gleisst. Wenn man dann aber eine kleine Sushibar betritt, kann einen eine wohltuend gedämpfte Atmosphäre empfangen, wo immer noch die alten japanischen Grundsätze zu gelten scheinen, die der Autor wie folgt formuliert:
«Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.» (p. 58).
Der Fokus der traditionellen japanischen Ästhetik, der der Autor das Wort redet, gilt nicht einem Objekt, sondern dem Licht in all seinen Schattierungen, die rund um Objekte entstehen. Das matte, abgedunkelte, undeutliche beruhigt und regt zugleich die Sinne, die Phantasie an. Eine Kalligraphie beispielsweise kommt am besten in einem Zimmer im Hintergrund zur Geltung, eine Vase in einer nicht ausgeleuchteten Nische. Man könnte vielleicht sagen, dass das Schattenspiel erst die Dinge in ein schönes Gesamtes integriert.
Japan hat die westliche Ästhetik übernommen und die eigene bewahrt; es ist diese Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Welten, die zur Faszination Japans beiträgt.