Shedding off one more layer of skin /
Keeping one step ahead of the persecutor within
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Streifst eine weitere Hautschicht ab /
Bleibst dem Verfolger in dir einen Schritt voraus
Shedding off one more layer of skin /
Keeping one step ahead of the persecutor within
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Streifst eine weitere Hautschicht ab /
Bleibst dem Verfolger in dir einen Schritt voraus
Kommentar
Man könnte die vielen hundert Songs, die Bob Dylan geschrieben hat, als eine grosse Erzählung in vielen kleinen Kapiteln begreifen. Das Verlassen einer Position (oder auch einer Person) ist immer wieder ein Motiv in dieser Erzählung. Der Held wandert weiter und leckt die Wunden.
Das gilt auch für den Künstler selbst: Viele seiner ersten Fans haben Dylan lange nicht verziehen, dass er die Stellung als Folk- und Protestsänger Mitte der 1960er Jahre preisgegeben hat. Vertrautes Terrain verlassen heisst aber auch, zu etwas Neuem aufzubrechen. Manche Anhänger stiess er vor den Kopf, als er 1979 zum Christentum konvertierte und anschliessend drei religiös inspirierte Alben veröffentlichte.
In «Saved» (1980) feiert der Held das Ende der Wanderungen: «Saved / Saved / And I’m so glad / Yes, I’m so glad / I‘m so glad / So glad / I want to thank, you Lord», der Ich-Erzähler ist gerettet und er ist froh (wie er nicht müde wird zu betonen); er bedankt sich bei Jesus. Künstlerisch ist «Saved» eher Mittelmass als Meilenstein, auch wenn Dylan mit «Pressing On» ein herausragender Gospel-Song gelingt (der den Helden in Bewegung zeigt, aber mit einem klaren Ziel).
Der Song «Jokerman» erschien 1983 auf der LP «Infidels», dem ersten Album nach der «born again»-Phase. Es ist vorbei mit christlicher Rettung und Ruhe. Zwar sprenkeln biblische Anspielungen die Szenerie, aber sie sind eher dunkler alttestamentarischer Provenienz. Der Sänger-Erzähler spricht ein «You» an, das in einer zerklüfteten, wenig kohärenten (Metaphern-) Landschaft tanzt, und sich weiterentwickelt:
“Shedding off one more layer of skin” – eine weitere Hautschicht: Das ist nicht die erste Häutung des Helden. Wir erfahren jetzt auch, warum er sich wandelt: “Keeping one step ahead of the persecutor within”, der Held muss dem “persecutor within” einen Schritt voraus bleiben.
Was ist das für eine Instanz?
Es liegt nahe, beim «Persecutor» auch an den «Prosecutor» zu denken, einen Staatsanwalt, der ein Abweichen vom Gesetz verfolgt, das nur «within» gültig ist.
Vielleicht schreibt dieses Gesetz gerade die Veränderung vor, und indem er sich neu erfindet, erfüllt es der Held? Allerdings nur für eine Weile, er bleibt nur einen Schritt voraus. Das ist nicht die letzte Häutung des Helden.
Schon 1970 hatte Dylan den (gern übersehenen) Song «Going, going, gone» veröffentlicht, der das Weggehen, den Aufbruch zum Titelthema machte. Der Held ist zu lange in einer Situation verharrt und hat den Ort erreicht, «where the willow don’t bend», die Weide sich nicht mehr biegt – ein schönes Bild für Erstarrung. Er scheint jetzt dem Rat von «Grandma» zu folgen und auf eine innere Stimme zu hören, die Veränderung fordert, ähnlich wie in «Jokerman», auch wenn sie hier weniger gebieterisch auftritt: «follow your heart», folge Deinem Herzen, er geht – und ist fort.
Dylan hat in seiner mehr als 60 Jahre langen Karriere seine Helden viele Male zu neuen Ufern aufbrechen lassen, und der Künstler selbst hat manche Stagnation überwunden; er hat damit ein in seinen vielen Verzweigungen (ausser für Berufs-Dylanologen) unüberschaubares, reichhaltiges Werk geschaffen.
Deutsche Übersetzungen: Gisbert Haefs.
Erwähnte Songs:
Jokerman
https://www.youtube.com/watch?v=1XSvsFgvWr0&list=RD1XSvsFgvWr0&start_radio=1
Saved:
https://www.youtube.com/watch?v=IcB8KPc9wHk
Pressing On:
https://www.youtube.com/watch?v=Wfm-wTqXHqQ
Going, Going, Gone:
https://www.youtube.com/watch?v=vWOZ7WQWlrc