Das Sanatorium zur Sanduhr

Autor: Bruno Schulz
Verlag: Hanser
Genre: Belletristik
Erscheinungsjahr: 2011
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 978-3-446-20890-2
Auflage: 1
Einbandart: Leinen mit Schutzumschlag
Seitenzahl: 368
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Polnisch
Übersetzung: Doreen Daume
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Besprechung

Julia_kersebaum

Der Verlag schreibt über Bruno Schulz‘ Erzählungen: „Groteske Gestalten gewähren Einblick in ein fantastisches Universum von Jahreszeiten, Gerüchen, Licht, aber auch kindlich-zarter Erotik.“ – man...

Moritz T.

„Das Sanatorium zur Sanduhr“ ist ein im polnischen Original 1936 publizierter heterogener Verbund von Geschichten, von unterschiedlicher Länge und auch Qualität. Was hält die Erzählungen...
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SEITE: 44 - 138 Moritz T. Keine Kommentare
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Kapitel „Der Frühling“

Anmerkung:

Man kann das Grundgerüst von «Der Frühling» als einfache Geschichte lesen, ein Junge verliebt sich in ein Mädchen, das wohlbehütet in einer Villa aufwächst. Der Junge, Józef, bewundert Bianka, das Mädchen, erst aus der Ferne, dann scheint ihm aber der Zutritt zur Villa gewährt zu werden, oder er erzwingt ihn sich beim Vater Biankas, die sich als launiger Teenager entpuppt, und am Ende statt Józef dessen Freund Rudolf erwählt.

Aber… auch einfache Geschichten haben ein Unterfutter, eine Nachtseite, ihre Metaphysik. Und die entfaltet der Ich-Erzähler in prächtigen, wortreichen Girlanden. Rudolf bezichtigt Józef des Übertreibens und Flunkerns, der Prahlerei und der Mystifikation – völlig zurecht, muss man als Leser sagen! An Rudolfs Briefmarkenalbum entzündet sich Józefs Phantasie, greift weit aus in Raum und Zeit, hängt Bianka eine kaiserlich-königliche Herkunft an. Vor allem aber überwuchert der Frühling, in dem sie statthat, das Grundgerüst der Geschichte mit seinen Gerüchen, Farben, Gestalten, mit seiner Dialektik von modrigem Untergrund und sich neu entfaltendem Leben, mit rauschhaften, traumgleichen Nächten.

Als Pointe stellt sich heraus, dass Józef vergeblich versucht hat, sich die Magie des Frühlings dienstbar zu machen, dessen phantastische Manifestationen auf sein «Programm» mit historischen Interpretationen und Figuren, und vermutlich auch auf die Liebe Biankas hin zu deuten und zurecht zu biegen. Er hat aber den nicht einzuhegenden Text des Frühlings falsch gelesen, „usurpiert“, die Geschichte widerlegt ihn am Ende.

Als Józef sich in der traumartigen Schlussszene selbst richten will, wird er – gerade noch rechtzeitig – verhaftet, und zwar wegen eines Traums, des „Standardtraums des biblischen Josephs“; Traum einer Selbstanmassung?

 

SEITE: 186 - 223 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

Kapitel „Das Sanatorium zur Sanduhr“

Anmerkung:

Für einmal eine Geschichte, die von vorneherein jenseits des Alltagsgeschehens angesiedelt ist. Paradoxerweise wuchern dann aber auch nicht die phantastischen Elemente im selben Masse, wie in den Geschichten, die aus dem Alltäglichen ins Surreale übergehen.

Der Ich-Erzähler fährt mit einem uralten Zug auf einer «vergessenen Nebenlinie» seinen Vater zu besuchen; er begegnet sich selbst als anderem Passagier, zu dem er am Ende der Geschichte wird. Die Zeit zerfällt in dem Schattenreich, wohin die Familie den Vater nach dessen Tod in ein Sanatorium gesandt hat. In der düsteren Dystopie wird es nie richtig Tag, und man schläft viel. Der Vater ist, wie es der Sanatoriumsarzt Doktor Gotard ausdrückt, «innerhalb der situationsbedingten Grenzen» am Leben, und hat wie zuvor im richtigen Leben ein Tuchgeschäft am Marktplatz; aber er ist kränklich, und im weitgehend leeren Sanatorium kümmert man sich nicht um ihn, oder den Ich-Erzähler, der vom «Magnetismus» angezogen wird, das «vom Spiel der Hüften» des allerdings meist nur flüchtig erscheinenden Zimmermädchens ausgeht, und von den Kuchen in einer Konditorei. Am Ende überzieht ein Krieg das Schattenreich, und der Sohn lässt den Vater wieder im Stich, und auch einen von einem Hund in einen Menschen verwandelten Gefährten. Allerdings kehrt er nicht ins Diesseits zurück, er lebt fortan als Passagier auf der vergessenen Nebenlinie.

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