Das Tagebuch der Menschheit

Autor: Schaik, Carel vanMichel, Kai
Untertitel: Was die Bibel über unsere Evolution verrät
Verlag: Rowohlt Taschenb.
Erscheinungsjahr: 2017
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 978-3-499-63133-7
Auflage: 5. A.
Einbandart: Kartonierter Einband
Seitenzahl: 576
Sprache: Deutsch
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Besprechung

Moritz T.

Carel von Schaik und Kai Michel verfolgen ein ehrgeiziges Ziel: Die Bibel, für viele ein Buch mit sieben Siegeln, zugänglich zu machen und in einen...
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SEITE: 229 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

„Frisch gestählt entstieg er dem Stahlbad als transzendentes Wesen. Das gelang ihm vor allem deshalb, weil die Arbeit an der Tora, die Verschriftlichung seines Willens, längst einen Abstraktionsprozess in Gang gesetzt hatte: Gott war Wort geworden. Er avancierte zum intellektuellen Prinzip.“

Anmerkung:

Sind nicht alle Götter „transzendente Wesen“?  Jahwe aber wird zunehmend  weniger fassbar im Alltag. Die Kapitel ab p. 230 sind in dem Zusammenhang interessant, und einleuchtend: Im Alltag herrschen verschiedene religiöse Gewohnheiten, Archäologen fördern Zeugnisse von pluriformer Religiösität zutage. In den „Königen“ (2. Buch, 23) wird berichtet, dass Josia Götzenpriester absetzte, und unter anderen  das Bild der Göttin Aschera aus dem Haus des Herrn entfernen liess. Die Berufung auf die Tora wird wichtiger.

Die Beseitigung dieser Pluralität in Juden- und Christentum und die Unterordnung unter einen Gott ist eine faszinierende Leistung. Im Christentum legen die vielen Heiligen nochmals Zeugnis ab von diesem Bedürfnis nach fassbaren Idolen, die im Alltag eine Rolle spielen.

Die Autoren argumentieren, dass die im Ton so ganz anders gearteten Psalmen das Bedürfnis nach unmittelbarer Ansprache, nach Hilfe im Alltag abdecken. „Gott wird multifunktional. Das ist eine der Meisterleistungen der hebräischen Bibel und Teil ihres Erfolgsgeheimnisses, dass es ihr gelang, intellektuelle und intuitive Religion zu verschmelzen.“ (p. 335) Wie aber gelingt dieser Spagat? Wie bringen die Menschen die Gottesbilder in Übereinstimmung?

SEITE: 351 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

«Wenn die hebräische Bibel den Tod die längste Zeit für kein Thema hält, das besondere Aufmerksamkeit verdient hätte, liegt das also daran, dass der Tod kein neues Mismatch-Phänomen, sondern ein altes Faktum war, mit dem sich die Menschen seit Urzeiten arrangiert hatten. Der Tod war eine grosse Selbstverständlichkeit des Lebens.»

Anmerkung:

Spät wird der Tod im alten Testament zum Thema. Das ist aus heutiger Perspektive erstaunlich… Tod respektive Himmel und Hölle scheinen zentral für die christliche Religion. Im Alten Testament steht aber die Bewältigung des Lebens im Vordergrund.  Jahwe war immer ein ‚Gott des Lebens gewesen‘, kein ‚Gott des Todes‘ (p. 359).

Zugleich betonen die Autoren, dass die alltäglichen Dinge, mit denen sich insbesondere die Frauen herumschlagen, auch nicht Thema des Alten Testaments sind. Was ist denn zentral? Die Abwendung der Katastrophen, Schutz vor Feinden, die Kohäsion in der Gruppe.  – Warum wird dann der Tod respektive das Leben nach dem Tod doch noch wichtig? Im Leben scheint sich gottesfürchtiges Gebaren nicht immer auszuzahlen, was schwer zu vermitteln ist… «Der Tod wird zur letzten Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit.» p. 349, und „Der Kampf gegen die alte intuitive Religion hatte ein Vakuum in Sachen Jenseits produziert.“ (p. 361)

Strategiewechsel: das Todesreich wird wichtig für Jahwe, in Daniel, 12 ist erstmals von einem Wiedererwachen der Toten die Rede, von „ewigem Leben“ für die einen, von „ewiger Schmach und Schande“ für die anderen.

SEITE: 409 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

„Gleiches gilt für die Gebote ‚Liebet Eure Feinde‘ und ‚Bietet auch die andere Backe dar‘. Sie beziehen sich allein auf die Gemeinschaft; sie sind reine Binnenmoral, um ein funktionierendes Zusammenleben zu gewährleisten. Die nahende Apokalypse erfordert ein Maximum an sozialer Kohäsion.“

Anmerkung:

Wichtige Erkenntnis: „Liebe Deinen Nächsten“ war für Jesus kein universales Gebot, sondern sollte in der jüdischen Gemeinschaft gelten, „reine Binnenmoral“. Welche Haltung aber predigte denn Jesus gegenüber Menschen, die nicht der Gemeinschaft angehörten?

Die Autoren zitieren Mt 13: „Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen (…).“, p. 411. Hier kennt Jesus kein Erbarmen. Interessant aber, dass jetzt weniger andere Götter die Feinde sind, sondern das Böse, gegen das Gott und der Menschensohn zum Endkampf antreten, Jesus der Apokalyptiker.

Vergleiche dazu aber den Kommentar zu Lev 19, 18 in der „Stuttgarter Erklärungsbibel“, mit Verweisen auf Mt 5, 43-47 und Lk 10, 29-37, p. 155: „An dieser Stelle ist der Nächste noch nicht jeder Mitmensch, sondern der israelitische Volksgenosse.“ Dann würden die Stellen im Neuen Testament über eine reine „Binnenmoral“ hinausgehen. Bei Lukas ist es ein Nicht-Jude, der die Nächstenliebe vorlebt, ein Samariter. – Dass sich aber die Feindesliebe nicht auf alle erstreckt, wird aus Mt 13 offensichtlich.

 

 

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