Die Ballade vom Schneien
Fügen Sie Ihre Bewertungen hinzu
Besprechung
Moritz T.
«’Wo mag Robert Walser gestanden haben, wenn er die Welt abbildete? Etwas daneben, vermutlich. Leicht erhöht. An einem Abgrund gar.’»
Die Passage lädt ein zur Überlegung, wo Gerhard Meier gestanden haben mag, wenn er die Welt abbildete. Erst eine gewisse Fremdheit ermöglicht ja das Beobachten und das Erzählen. Aber diese Distanz hat ihn nicht weggetrieben, anders als der ruhelose Wanderer Walser ist Meier zeitlebens seinem Ort Niederbipp treu geblieben, er war dort verwurzelt. Gerhard Meier hat diese Spannung in Kunst verwandelt.
«’Und darum bewege es einen auch dermassen, wenn er einem über die Wangen streiche, durchs Haar, weil da gleichzeitig auch so etwas wie Leben mitkomme, in den Wind geschriebenes.’»
Robert Walser, der grosse Spaziergänger, der Träumer, der Gedankenspinner: ein treffendes Bild, Texte in den Wind geschrieben. Der Wind transportiert Splitter über Zeit und Raum; und wer wäre empfänglicher gewesen für Walsers Windworte als der im selben Raum spazierende Baur?
«Der Wind sei beständiger als die Zellulose» p. 66.
«‘… dass man möglicherweise lebe, um sich erinnern zu können; und dass es eine Zeit gegeben habe, wo man einem vom Gelebten habe abblocken wollen.’»
Das heisst, sich selbst an der Reflexion, an der Erinnerung hindern? Wer ist man, wer ist einem?
«Ich sah auch Bäume dahingehen, Bindschädler, Bäume, mit denen ich sozusagen gelebt hatte.»
Bäume sind Gestalten, Bezugspunkte, Lebewesen.
«meine Baumgalerie» p 44 Bezug zu «Gehirnbäumen»
Die Eichen C.D. Friedrichs.
Eiche im Schnee, Reproduktion von Friedrichs Gemälde hängt um Spitalzimmer. Der Blick schweift regelmässig dorthin
«… als das Haus des Schuhmachers brannte, vermutlich noch Kränze und Turnerdiplome als Flugasche über Amrain hingezogen…»
Nichts vergeht; es verwandelt sich nur.
«Es komme auf die erstmalige neue Schau einer an sich bekannten Sache an … eigenartig und neu, aber dennoch wahr und gerade deshalb doppelt ergreifend… aus unserem alten Geleise werfe und uns gleichzeitig an einen erinnerten Eindruck gemahne.»
Meier hat das geleistet, er hat uns das Dorfleben im neuen Licht gezeigt, es durchlässig gemacht für die Welt, die Kunst. In diesem Band tritt allerdings das Dorfleben zurück, wir bewegen uns zunehmend in geistigen Sphären; Baur stirbt. Reisen, Erinnerungen, Träume…