Die Baukunst der Renaissance in Italien
Fügen Sie Ihre Bewertungen hinzu
Besprechung
Moritz T.
«Orvieto nennt 1420 seinen Dom eine herrliche Kirche ohne Gleichen in der Welt; 1380 hat es die Ambition die grösste Orgel der Welt bauen zu lassen.»
Unter der Kapitelüberschrift «Baugesinnung anderer Städte» (nach Florenz und Siena). Wir nehmen die Baudenkmäler der Renaissance fast wie eine Naturerscheinung wahr, und übersehen gern die Geschichte und handfesten weltlichen Hinter- und Beweggründe für den Bau der Kirchen und Dome. B. ruft sie in Erinnerung.
«Anekdote von einem Cantanesen, welcher sich an enormen Fundamenten arm baute und sich damit tröstete, schon daraus werde wenigstens die Nachwelt schliessen, dass er ein grosser Herr gewesen.»
Auch Private versuchen sich zu verewigen, s. a. Palazzo Strozzi in Florenz, p. 14
«(…) sondern als Bildhauer, Maler und Holzarbeiter jeden Stoff und jede Art von Formen in ihrer Wirkung kannten.»
Grund für die «schöne frische Erscheinung der Renaissancebauten»: die Vielseitigkeit der Architekten.
«(…) da man nicht innerhalb des Gothischen selbst anarchisch herumgeworfen wurde, wie in Italien.»
In Frankreich war es einfacher, dem gotischen Baustil treu zu bleiben, als in Italien, wo die Gotik bald auch als aus Deutschland importiert denunziert und verwässert oder verfremdet wurde.
«Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts werden zwei schöne Motive häufiger: zwei gerade Gebälkstücke, auf Säulen ruhend, nehmen einen Bogen in die Mitte (…)»
… und damit auch hier (wie so häufig in der Renaissance) ein Motiv der (Spät-) Antike auf, illustriert mit einer Abbildung der Basilica zu Vicenza. B. geht ins Detail.
«Die Paläste werden gerettet durch die Schönheit des aus der gothischen Zeit ererbten Compositionsmotivs. Wo diese nicht vorhält, wie z.B. im Hof des Dogenpalastes, zeigt sich der Prachtsinn in seiner vollen Rathlosigkeit.»
B. beklagt die mangelnde Substanz des Früh-Renaissance-Baustils in Venedig, mehr Dekoration und Arabeske als Architektur. Scharfes Urteil. «Wo wäre die moderne Baukunst geblieben, wenn sie dem venezianischen Kunstschreinergeist und Juweliergeist dauernd in die Hände gefallen wären?» (p. 58) Schade, dass dann der Hof des Dogenpalasts als Negativ-Beispiel nicht abgebildet ist.
«Es war ein neuer Sieg des florentinischen Kunstgeistes über das übrige Italien.»
Zu Beginn des 16. Jahrhhunderts setzt sich der florentinische Baustil (weniger Ornament, mehr «einfache Grösse») im übrigen Italien durch. Vorbildfunktion der Palazzi Strozzi, Pitti, Gondi.
«Cronaca’s achteckige mit vier Ecknischen versehene Sacristei bei S. Spirito 1493, voll Adel und Zärtlichkeit. – Dagegen Pintelli’s (?) Octogon in S. Maria della Pace zu Rom, auf alle Weisen misslungen.»
Gern hätte man es etwas anschaulicher – inwiefern ist das Octogon «auf alle Weisen misslungen»? B. handelt hier von kirchlichen Centralbauten, sich um einen Mittelpunkt gruppierende Elemente. Etwas besser nachvollziehbar (auch dank Abbildung) der Superlativ für Madonna delle Carceri in Prato, «höchster Zauber des Raumes und edelgemässigte Dekoration», wobei sich der Zauber wohl eher im Inneren erschliesst… Santa Maria delle Carceri-internal dome 2 – Santa Maria delle Carceri, Prato – Wikipedia
«edelgemässigte» – Burckhardt-Wort.
«(…) sein Grösstes ist aber doch wohl, dass er die Sehnsucht der ganzen Renaissance erfüllte durch den Bau der vollendet herrlichen Riesenkuppel mit dem lichtströmenden Cylinder, und dass er noch einmal dem Centralbau den Sieg verschaffte.»
Michelangelos Meisterstück: St. Peter.
«In Siena eine eigene Verschönerungsbehörde, die ufficiali dell’ornato, welche die betreffenden Correctionen und Expropriationen begutachten.»
B. nimmt den Strassenbau in den Fokus; die Städte korrigierten historisch gewachsene Strassenführungen zu korrigieren, «ihre engen und krummen Strassen breit und gerade zu machen.»
«Eine trefflich geschnitzte Thür mit dem Wappen Julius II. im Pal. Apostolico zu Bologna.»
Unfassbar, auf welche Detailebene B. sich begibt. Auf der gleichen Seite lobt er in höchstem Ton eine Tür in den vaticanischen Loggien, und eine «einfachere Thüre von Wert» in den Uffizien.
«(…) die beginnende Gegenreformation drängt dem Gewölbe und dem Wandzierrath eine Menge erzählender Darstellungen auf, welche nicht so frei in Schönheit sich auflösen kann, wie einst das Figürliche in den Loggien (…)»
Die Gegenreformation, auch ästhetisch ein Problem…