Giovanni’s Room
Fügen Sie Ihre Bewertungen hinzu
Besprechung
Gaby K.
Moritz T.
Introduction – Note
[…] to read this Introduction afterwards.
Diese Empfehlung habe ich übrigens beherzigt.
„(…) a girl (…) who will wonder why I have not been flirting with her (…)“
Der Ich-Erzähler stellt sich die Zugreise am nächsten Morgen vor, die anders als normal verlaufen wird; ohne Flirt mit einer zufälligerweise gegenübersitzenden jungen Frau.
My girl Hella and I rented it in Paris, from photographs, some months ago
1956 – anhand von Fotos. Fast wie heute via AirBnB 😉
[…] I thought she would be fun to have fun with
Eine der wichtigsten Voraussetzungen – zusammen Spass haben!
„I am not sure now, in spite of everything, that it ever really meant more than that to me.“
Der Ich-Erzähler reflektiert über seine Beziehung zu Hella, der er einen Heiratsantrag gemacht hatte; was hatte sie ihm bedeutet, was er ihr? Etwas papierne Reflexionen in diesem Moment, vielleicht werden sie im Verlauf der Erzählung unterfüttert und beglaubigt.
But people can’t, unhappily, invent their mooring posts, their lovers and their friends, anymore than they can invent their parents. Life gives these and also takes them away and the great difficulty is to say Yes to life.
Einerseits ist es ein schönes Bild, geliebte Menschen und Freunde als Ankerplätze/Anlegestellen zu bezeichnen. Andererseits ist es auch wahr, dass diese einem auch wieder abhanden kommen. Und sicher ist es richtig, dass man das Leben jederzeit bejahen sollte, auch wenn das doch immer wieder schwierig ist.
People are too various to be treated so lightly. I am too various to be trusted.
Wenn man diese beiden Sätze aus dem Zusammenhang des Buches rausnimmt (hier geht es um Liebesaffären), dann ergeben sie eine spannende Grundsatzfrage: wie gradlinig sollte man sein, um vertrauenswürdig zu sein? Respektive macht einem Vielfältigkeit im Sein, im Wesen, im Denken zu einem Luftibus? Wir setzen immer mehr auf Spezialisten, was eigentlich schade ist.
„(…) for nothing is more unbearable, once one has it, than freedom.“
Die Affäre mit Hella „under a foreign sky“, in Freiheit, die eben aber schwer zu ertragen ist. Existenzialistischer Kalenderspruch.
„(…) that I have never truly forgotten it.“
Der Ich-Erzähler erinnert sich wieder daran, wie er zum ersten und einzigen Mal mit einem Jungen geschlafen hat. Nicht sehr glaubhaft, dass er diese Erinnerung je verdrängt hat… Zumal es auf Seite 11 heisst: „I had decided that I would never again.“, mit einem Jungen schlafen nämlich.
„A cavern opened in my mind, black, full of rumor, suggestion, of half-heard, half-forgotten, half-understood stories, full of dirty words.“
Die Liebesnacht mit Joey hat sich aus der Nähe ergeben, ohne Planung, ohne Reflexion, die erst jetzt einsetzt, und das Erlebnis von aussen in zweifelhaftem Licht erscheinen lässt.
Or I remember him sitting bet forward, his elbows on his knees, staring toward the great window, which held back the inky night.
Das ist sehr bildlich beschrieben – und der Ausdruck „inky night“ gefällt mir sehr,
„I did not want to be his buddy, I wanted to be his son.“
Düsteres Familienbild mit dem heranwachsenden David; Schatten der verstorbenen Mutter, ein überforderter Vater, der sich eher als Freund versteht, und die nörgelnde, unzufriedene Tante.
„Their decisions are not really decisions at all (…), but elaborate systems of evasion (…).“
Reflexion über Willenskraft, die aber in erster Linie eine Fähigkeit zur Selbsttäuschung ist, wie der Ich-Erzähler hier argumentiert.
Perhaps, as we say in America, I wanted to find myself. This is an interesting phrase, not current as far as I know in the language of any other people, which certainly does not mean what it says but betrays a nagging suspicion that something has been misplaced. I think now that if I had any intimation that the self I was going to find would turn out to be only the same self from which I had spent so much time in flight, I would have stayed at home. But again, I think I knew, at the very bottom of my heart, exactly what I was doing when I took the boat for France.
Der Ich-Erzähler stellt in Frage, ob es richtig war, sich selber finden zu wollen – und ob man das überhaupt kann. Und doch wusste er genau, warum er nach Frankreich kam.
„(…) the world could see and he could believe that he was out with me, his friend, he was not there out of desperation (…)“
Ich-Erzähler David gibt mit dem gemeinsame Gang in die Bar dem wohlhabenden, älteren Schwulen Jacques Deckung, aus der heraus jener verzweifelt nach einem Liebhaber Ausschau hält (der David nicht sein wird).
„For he was so exactly the kind of boy that Guillaume always dreamed of thatit scarcely seemed possible that Guillaume could have found him.“
Und warum soll Guillaume nicht genau das finden, was er sucht? Etwas leichtgewichtiges Paradox, im Verdacht dafür dazu sein, die Zeilen zu füllen…
„I realized I was quite happy to be talking with him and this realization made me shy.“
Jacques und David lernen den attraktiven Barmann Giovanni kennen. Jacques nutzt David als Begleitschutz auf der Suche nach homoerotischen Affären. Als Jacques David einen Moment allein lässt mit Giovanni, vermisst der nach offizieller Lesart heterosexuelle David die Deckung durch Jacques…
Ah! I am told, that New York is very beautiful. Is it more beautiful than Paris?
[…NY] It’s very – twenthieth century.
[…] Paris is old, is many centuries. You feel, in Paris, all the time gone by. That isn’t what you feel in New York.
Sehr hübsches Geplänkel von David, der versucht, Paris und New York zu vergleichen. Ob das nach dem Krieg wirklich so war? Giovanni fragt auch nach ‚many years from now‘ und ich frage mich, ob David heute (resp. vor Corona) noch so gedacht hätte.
“I guess people wait in order to make sure of what they feel.” “In order to make sure!”
[…]
“And when you have waited – has it made you sure?” For this I could simply summon no answer
Das scheint mir eine Art Schlüsselstelle zu sein, denn genau darum geht es – David lässt keine Gefühle zu – er wartet, was daraus wird. Und wird sich erst Jahre danach – siehe sein Erlebnis als Junge – dass da überhaupt etwas war.
Behind the counter sat one of those absolutely inimitable and indomitable ladies, produced only in the city of Paris, but produced there in great numbers, wo would be as outraged and unsettling in any other city as a mermaid on a mountain-top.
Finde ich eine lustige Beschreibung – nichts anderes.
‘I’m sorry. But I think, since you bring it up, that a lot of your life is despicable’.
‘I could say the same about yours’, said Jacques. ‘There are so many ways of being despicable it quite makes one’s head spin. But the way to be really despicable it to be contemptuous of other people’s pain. You ought to have some apprehension that the man you see before you was once even younger than you are now and arrived at this present wretchedness by imperceptible degrees.’
Gespräch zwischen David und Jacques. Zeigt auf, dass David alles andere als empathisch ist – eher überheblich und voreingenommen!
‘Somebody’, said Jacques, ‘your father or mine, should have told us that not many people have ever died of love. But multitudes have perished, and are perishing every hour – and in the oddest places! – for the lack of it.’
Schlüsselsatz? Das passiert mit Giovanni, weil David sich nicht zu ihm bekennt!
He looked at me and I saw in his face again something which I have fleetingly seen there during these hours: under his beauty and his bravado, terror, and a terrible desire to please; dreadfully moving, and it made me want, in anguish, to reach out and comfort him.
Mit dieser Beschreibung von Giovanni trifft David ins Schwarze.
Und weckt verständlicherweise auch eine Art Beschützerinstinkt.
I ached abruptly, intolerably, with a longing to go home;
[…]
But home, home across the ocean, to things and people I knew and understood; to those things, those places, those people which I would always helplessly, and in whatever bitterness of spirit, love above all else.
I had never realized such a sentiment in myself before, and it frightened me.
Auch wenn er hier von «bitterness» schreibt – dann überrascht es mich doch, dass er das so empfindet.
„With everything in me screaming No! yet the sum of me sighed Yes.“
Ende einer langen Bar-Nacht (Seiten 31-64)
David landet in Giovannis Zimmer und in seinen Armen, nach einer langen Nacht, in der alle David zu durchschauen scheinen, bevor er sich selbst ganz durchschaut: er hat sich in Giovanni verliebt, und gibt seinen zuvor bloss latenten homoerotischen Neigungen nach. Die Barszenen und -dialoge sind gekonnt inszeniert, in einem existenzialistischen set up (inklusive schwarzem Rollkragenpullover), das leicht Patina angesetzt hat. Im Dialog mit dem verbitterten Jacques macht David einige lahme Manöver, kann aber der Wahrheit nicht ausweichen, dem Leser wird ein Sog vermittelt, dem sich David nicht entziehen kann. Allenfalls könnten die Dialoge als sehr auf dieses Ziel hin konstruiert erscheinen.
But I knew I could not open the door, I knew it was too late; soon it was too late to do anything but moan.
Diese rückblickenden Erkenntnisse, diese Andeutungen, machen das Buch irgendwie mühsam zu lesen. Anscheinend wusste er ja schon als es passierte, dass es eigentlich falsch sei. Und klar, man macht oft trotz besseren Wissens Sachen, die man besser liesse, aber die Geschichte spielt so klar damit, das man es langsam leid ist.
She seems, like most of the women down here, to have gone into mourning directly the last child moved out of childhood.
((Plötzlich wieder Südfrankreich – irgendwie ein unerwartet Wechsel)).
Passt m.E. besser zu den italienischen «Mamas» wie zu den Südfranzosen – aber der Typ Frau ist gut erkennbar.
‘Men – not just babies like you, but old men, too – they always nee a woman to tell them the truth.’
Aus dem Kontext herausgerissen etwas, das zu diskutieren wäre. Ich glaube tatsächlich, dass viele Frauen meinen, genau das machen u müssen… «Hinter jedem grossen Mann…» etc.
„And no matter what I was doing, another me sat in my belly, absolutely cold with terror over the question of my life.“
David steckt immer noch in der Beziehung zu Hella, der er nicht erzählt, dass er sich in Giovanni verliebt hat; in den Gesprächen mit Giovanni weicht er der entscheidenden Frage aus, wie es weitergehen soll, wenn Hella zurück ist von ihrem Spanientrip, auf dem sie herausfinden will, ob sie die Beziehung zu David fortsetzen will. – David fühlt sich auch zu anderen jungen Männern hingezogen, nicht zur zu Giovanni, zu seiner nachhaltigen Irritation (p. 81).
Giovanni liked to believe that he was hard-headed and that I was not and that he was teaching me the stony facts of life. It was very important for him to feel this: it was because he knew, unwillingly, at the very bottom of his heart, that I helplessly, at the very bottom of mine, resisted him with all my strength.
Wahrscheinlich wusste es Giovanni schon unbewusst. Aber warum David eigentlich sich so komplett dagegen wehrte, das wurde mir bis zum Ende des Buches nicht wirklich klar.
„(…) it was a matter of punishment and grief.“
David entdeckt die Ursache für die Unordnung in Giovannis Zimmer, und warum ihn Giovanni hierher gebracht hat: „I was to destroy this room and give Giovanni a new and better life.“ (p. 84)
Amerikaner in Paris…
David scheinen seine Landsleute uniform, den Klischees entsprechend, er nimmt sie nicht mehr als Individuuen wahr. Dem Leser soll beigebracht werden, dass er sich seinem Heimatland entfremdet. Eher etwas grob und wenig interessant gestaltet.
„(…) what I did with Giovanni could not not possibly be more immoral than what I was about to do with Sue.“
David – hin- und hergerissen zwischen Hella und Giovanni – will mit einer Frau schlafen, und lädt sich nach hause ein zu Sue, der erstbesten Bekannten, die er antrifft, ohne sie attraktiv zu finden, noch scheint er sie zu mögen.
It would help if I were able to feel guilty. But the end of innocence is also the end of guilt.
Aber das Ende der Unschuld ist auch das Ende der Schuld???
Das verstehe ich – und glaube ich auch – nicht.
‘As long as you stay here, you can always think: One day I will go home.’
[…]
‘You mean, I have a home to go to as long as I don’t go there?’
[…]
‘You don’t have a home until you leave it and then, when you have left it, you never can go back.’
Das Thema Heimat finde ich spannend. Was ist Heimat, wo fühlt man sich heimisch? Eine Freundin sagte mal, Heimat ist dort, wo man beerdigt werden möchte.
Stimmt es, was Giovanni hier suggeriert, wenn man die Heimat einmal verlassen hat, dann kann man nicht wirklich dorthin zurück und sie wieder als Heimat empfinden?
You do sometimes remind me of the kind of man who is tempted to put himself in prison in order to avoid being hit by a ca.
Stimmt, das passt eigentlich nicht schlecht auf David
„I loved her as much as ever and I still didn’t know how much that was.“
Hella betritt endlich die Bühne, ambivalente Begrüssung durch David.
„Everything was as it had been between us and at the same time everything was different.“
Hmm, besser wäre es, das zu zeigen, anstatt es zu behaupten…
„‚You do not know any of the terrible things – that is why you smile and dance the way you do and you think that the comedy the comedy you are playing with the short-haired, moon-faced little girl is love.'“
Giovanni, David entlarvend.
„‚What kind of life can two men have together, anyway?'“
Giovanni setzt David unter Druck, und David sagt den entscheidenden Satz…
„‚You want to leave Giovanni because he makes you stink. You want to despise Giovanni because he is not afraid of the stink of love. You want to kill him in the name of all your little moralities. And you – you are immoral.'“
Giovanni durchschaut seinen Liebhaber und macht das David (über)deutlich, der ihn verlässt, um den Konventionen gerecht werden zu können
The tourist in their thousands disappeared, conjured away by time-tables.
Schönes Bild.
Szene, die zu Guillaumes Ermordung führt.
David stellt sich vor, wie Giovanni so weit getrieben wird, Guillaume umzubringen, plastische, intensive Schilderung, einleuchtend – vielleicht ein wenig zu sehr…
„‚Just let me be a woman, take me. It’s what I want. It’s all I want, I don’t care about anything else.'“
Hella merkt, dass David ihr entglitten ist, und fleht ihn mit diesen Worten an; natürlich stösst sie David damit erst recht weg von sich. Wiederum überzeichnet.