
Heart Lamp
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Besprechung
Moritz T.
Anmerkungen zu einzelnen Stellen
„‚Yes, my grandmother used to say that when a wife dies, it’s like an elbow injury for the husband.'“
Zwei Ehepaare im lockeren Dialog. Hier spricht eine der Frauen, etwas provozierend, nachdem der Ehemann der Ich-Erzählerin erklärt hatte, dass der Tod der Mutter für einen Mann wesentlich schwerer wiegt als der Tod der Ehefrau, die schliesslich ersetzbar sei.
„Fire Rain“
Brillante, klassische Erzählung, als hätte man Cechov nach Südindien transferiert. Den Auftakt bildet eine Morgenszene mit Mutter und krankem Kind, die auf einem Teppich im Wohnbereich schlafen. Der Hausherr und Vater ist aber weniger besorgt um das kranke Kind als darum, in welcher Aufmachung sich seine Frau zeigt: Die Schwester des Vaters und der Schwager übernachten im Haus, sie behelligen ihn mit einem unangenehmen, aber legitimen finanziellen Anliegen.
Der Hausherr entpuppt sich als hoch angesehene Figur in der muslimischen Gemeinde. Allerlei Bittsteller machen ihm die Aufwartung, der eine braucht Geld für die Heirat seiner jüngsten Tochter, die nächste (eine andere Schwester unseres Helden) bittet um die Vermittlung eines Jobs für ihren Sohn. Mühsame Geschichten… Da kommt ein Fall gerade recht, der die Aufmerksamkeit aller Bittsteller absorbiert – angeblich ist ein Muslim nicht riten-gerecht beerdigt worden. Die Posse nimmt ihren Lauf, gekrönt von einem Begräbnis-Umzug mit der bereits verwesenden und entsprechend übel riechenden Leiche. Unser Held hat seine Ziele erreicht: sein Ansehen in der Gemeinde ist nochmals gestiegen, und die lästigen Forderungen sind fürs erste vom Tisch.
Sowohl der Vater wie auch der Leser haben in der ganzen künstlichen Aufregung den kranken Sohn vergessen. Erst im Schlussabsatz werden sie auf dramatische Weise daran erinnert. – Grossartig auch die Schilderung, wie sich ein religiöser Mob aufbaut, aus durchaus nicht immer heiligen Motiven.
„‚May his mutawalli position burn in hell.'“
Amina, die Frau des Mutawalli, ist nicht begeistert davon, wie ihr Ehemann die verantwortungsvolle Position ausübt.
Definition:
Mutawallī (متولى), literally meaning “a person endowed with authority,” is a legal term in Islamic law used to designate an individual who is entrusted with the management and oversight of a religious endowment, known as a waqf (وقف).Mutawallī (متولى) | Dictionary of Islam
Walk of shame für den Mutawalli
Die Frauen der Gemeinschaft lassen den Mutawalli ihre Wut über sein Versagen im Amt spüren, die zum Tod eines Mädchens geführt hat. – Hübsch inszeniert zum Abschluss dieser simplen, traurigen Geschichte „Black Cobras“, die davon erzählt, wie sich Männer aus der Affäre ziehen und ihre Frauen verlassen können, obwohl die Sharia den Frauen Rechte zugestehen würde, die sie aber nicht durchsetzen können.
„He understood her weaknesses just as much as she knew his.“
Der Streit zwischen Yusuf und seiner Ehefrau Akhila eskaliert. Yusuf kümmert sich mindestens ebenso so sehr um seine Mutter wie um seine Frau (und die vier Kinder). Er teilt seine Zeit zwischen den beiden Frauen auf, darum nennt Akhila die Mutter auch ihr „savathi“, ihre Co-Ehefrau. Seine Frau hat ein Haus, seine Mutter hat ein Haus, Yusuf aber hat kein eigenes Haus und ist „stuck between them“. Er muss eine Lösung finden.
„(…) that he was quite the shokhi-lal (…)“
Ein Ehe-Kandidat für die Mutter Yusufs scheitert – warum? Ein Glossar wäre hilfreich. Offenbar eine Art Frauenheld, schliessen wir aus dem Kontext.
„Mehaboob Bi thought she understood what was happening a little; otherwise her head was all muddled. All was chaos.“
Ihr Sohn Yusuf will die 50-jährige Mutter nochmals verheiraten, die Vorbereitungen dazu trifft er heimlich. Die feindselige, renitente Schwiegertochter zeigt sich plötzlich konziliant. Kein Wunder, weiss die (Schwieger-) Mutter Mehaboob Bi nicht so recht, wo ihr der Kopf steht. Auch für den mit der südindisch-muslimischen Kultur nicht vertrauten Leser ist die Konstellation nicht leicht zu erfassen.
Wenig später aber ergreift sie, zuvor eher Spielball des Machtkampfes zwischen ihrem Sohn und der Schwiegertochter, in überraschender Weise die Initiative, sie ist diejenige, die „A decision of the heart“ fasst.
Red Lungi
Sommerferien, und das Haus voller Kinder, die nichts als Unfug treiben. Die Dame des wohlhabenden Hauses weiss einen Ausweg und gibt dem Treiben ein Ziel: sie veranstaltet eine Massen-Khatna, die traditionelle Beschneidung der Knaben. Genaue Beschreibung der (blutigen) Zeremonie für die ärmeren Knaben der (eingeladenen) Nachbarschaft, die familien-eigenen Knaben werden fachgerecht in einer Klinik operiert. Themen werden angetippt, arm und reich, moderne und traditionelle Medizin, aber das Fest steht im Fokus der Geschichte.
„Heart Lamp“
Exemplarisch und schnörkellos brutal wird in der Titel-Erzählung die tiefe Einsamkeit einer muslimischen Frau und gleichzeitig ihre Abhängigkeit vom Familiennetzwerk vorgeführt. Vom Ehemann und der Herkunftsfamilie im Stich gelassen, eine Kinderschar am Hals. Auswegslos.
„‚I came alone.‘
‚Alone?‘ A chorus rose around her as she stayed standing at the threshold.“
Mehruns grosse Familie entgeistert, als die Tochter mit einem Baby das Haus betritt – weil sie ohne Begleitung gereist ist.
„‚And tell her that after her talaq, see if she is able to get her younger sisters and her daughters married off.'“
Mehruns Ehemann Inayat spielt seine Trümpfe aus. Eine Scheidung würde nicht nur die Reputation Mehruns beschädigen. Sippenhaftung. Auswegslose Situation für Mehrun, die von ihrer Familie keine Unterstützung erhält. – Inayat richtet diese Worte an die 16-jährige Tochter, sie soll es der Mutter ausrichten, die aber sehr wohl hört, was ihr Ehemann sagt.
„But Mehaboob Khan was a broken man. He found his brother’s every action, word, activity, everything to be artificial.“
Einige der wenigen Stellen, an denen man sich fragt, ob die Übersetzung adäquat ist. Der jüngere Bruder Mehaboobs, Nayaz, hat das Haus, das auf dem Papier ihnen beiden gehört, umgebaut, ohne Mehaboob zu informieren, und dabei einen Mangobaum gefällt, mit dem Mehaboob viele Erinnerung verbindet. Nayaz wollte aber seinen Bruder und dessen etwas snobistische Frau beeindrucken und ihnen ein komfortables Heim bieten, wenn sie aus Saudi-Arabien vorübergehend nach Indien zurückkehren. Inwiefern soll jede „action“ und „activity“ „artificial“ sein?
Soft whispers
Mushtaq zeigt sich als begnadete Erzählerin: sie evoziert die Welt eines achtjährigen Mädchens, in zauberhaft-magischen Episoden. Die Rahmenhandlung vielleicht nicht so zwingend.
A taste of heaven
Eher die Erzählung einer Erzählung, für einmal bleiben die Figuren blosse Schemen.
„Money from poor people was, just like them, broken, shattered, crumpled, diminished in essence and form.“
Eine reiche Frau nimmt Geld von einer Dienerin. Dieses Geld stinkt, „olet“. Sie achtet es gering und fühlt sich wenig verpflichtet, die versprochene Gegenleistung zu erbringen.
Be a woman once, oh Lord
Die Klage einer Frau vor Gott, der die Welt unerträglich gemacht hat für die Frauen.