Offene See
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Besprechung
Gaby K.
Wo ist das Leben geblieben? …
… das Mantra murmele – du wirst nie wieder so jung sein, wie du jetzt bist -, aber es fühlt sich hohl zwischen den Lippen an. Ich kann weder die Zeit austricksen, noch mich selbst. Ich werde immer so alt sein, wie ich jetzt bin, und dann noch älter.
Das scheint die Einleitung des „alten“ Robert zu sein, wenn bevor er seine Geschichte erzählt…
Man wird gleich mit müde, wenn man den Vorspann liest – aber man nickt auch ständig dabei!
Ich musste den ersten Abschnitt nach der Lektüre des Buches nochmals lesen, weil mir erst am Ende auffiel, wie tiefsinnig, aber mit einfachen Worten, der Schreiber auf sein Leben zurückblickt – und den Leser, vor allem, den nicht mehr Jugendlichen, über den er schreibt, mitanspricht.
Besonders beeindruckend sind die Aussagen über den Krieg selbst, welche Spuren hinterlässt und wie unsinnig und unverständlich das alles ist…
Ich bliebe stehen, um meine Feldflasche am Strassenrand an einer Quelle zu füllen, die in einen Steintrog plätscherte, und kam mir vor, als hätte ich ein Gemälde betreten. Die Sonne war eine gleissende weisse Scheibe über einer lasierten Landschaft und ich begriff, vielleicht zum ersten Mal, was Menschen dazu brachte, einen Pinsel in die Hand zu nehmen oder ein Gedicht zu schreiben: der Impuls, die den Herzschlag beschleunigende Empfindungen einzufangen, dieses Im-Jetzt-Sein, ausgelöst durch eine ebenso atemberaubende wie unerwartete Aussicht. Kunst war der Versuch den Moment in Bernstein zu giessen.
Diese Beschreibung selbst ist fast schon ein Gemälde und man sieht die Landschaft förmlich und empfindet mit.
Kriege dauern an, lange nachdem die Schlachten geendet haben, und damals fühlte sich die Welt an, als wäre sie voller Löcher. Sie erschien mir vernarbt und zerschmettert, ein Ort, der von den Mächtigen seines Sinns beraubt worden war. Alles war in Scherben, alles verbrannt. Ich war weder alt genug, um mich zum Helden gemacht zu haben, noch jung genug, um den Wochenschaubildern entkommen zu sein oder den langen dunklen Schatten, die die heimkehrenden Soldaten wie leere Särge hinter sich herzogen. Denn niemand gewinnt einen Krieg wirklich; manche verlieren bloß ein bisschen weniger als andere. Ich war ein Kind, als er begann, und ein junger Mann, als er zu Ende ging, und danach war Verlust allenthalben sichtbar, hing wie eine große schwere Wolke über der Insel, und selbst noch so viele rot-weiß-blaue Flaggen oder Orden, die den Überlebenden an die schluchzende Brust gesteckt wurden, konnten nichts daran ändern. Den Geschichtsbüchern sollte nicht unbedingt Glauben geschenkt werden: Der Sieg der Alliierten schmeckte nicht süß, und die Winter, die folgten, sollten so eisig und unerbittlich sein wie alle Winter. Denn so wenig sich die Elemente auch um den Wahnsinn der Menschen scheren, denjenigen, die die ersten Filmaufnahmen von Stacheldraht und Massengräbern gesehen hatten, kam nun selbst der weiße, jungfräuliche Schnee unrein vor. Doch mit den Augen der Jugend gesehen, war der Krieg eine Abstraktion, eine Erinnerung zweiten Grades, die bereits verblasste. Es war nicht unser Krieg. Er würde nicht unser Leben ruinieren, ehe es überhaupt begonnen hatte.
Die ganze Seite 15, die Beschreibung des Krieges geht unter die Haut.
Und es ist auch die Begründung, warum Robert aufbricht „über das Ende der Strasse hinauszutreten“
«Entschuldige dich nur für Dinge, die du bereust.»
Das sollte man sich als Mantra an den Spiegel schreiben!!!
«Reisen ist die Suche nach sich selbst, glaub mir. Und manchmal genügt schon allein das Suchen.»
Die Such nach sich selbst, das muss man erst wollen…
Robert hat das ja aber gar nicht im Sinn, als er «Urlaub» macht.
«Glauben Sie, es wird noch einen Weltkrieg geben?»…
… «Weil immer irgendwo ein Krieg geführt wird und wir nie auch nur irgendetwas daraus lernen»
…
«Glauben Sie denn nicht an Fortschritt, Dulcie?» …
… «Jedenfalls an keinen linearen Fortschritt. Ich glaube nicht, dass wir uns kontinuierlich verbessern, falls du das meinst. Wir können gewisse Lektionen lernen, aber wir setzen sie nicht um. Es geht immer einen Schritt vor und zwei zurück. Dann ein Hüpfer nach links oder rechts. Dann einer diagonal. Verstehst Du, was ich meine?
Kein Kommentar…
Bienen sind wahre Wunderwesen, die unermüdlich Pollen in Gold verwandeln. Und die harmonische Organisation ihrer Staaten ist etwas, wovon wir zweifellos lernen können.
Was wohl die Organisationslehre zu dieser Erkenntnis sagt? Ist diese klare hierarchische Organisation harmonisch?
«Weit gefehlt, das ist aus dem Koran, eine ganze Ecke später entstanden als die Heilige Schrift und nur unwesentlich interessanter zu lesen, obwohl beide mal verdammt gut lektoriert werden müssten…»
Kein Kommentar
«… Ehe du jetzt widersprichst, lass dir sagen, dass Lyrik sich ungefähr so gut verkauft wie ein Hakenkreuz-Reichsadler auf einem jüdischen Wochenmarkt, nämlich ausgesprochen schlecht…»
Der Vergleich ist – wow und 😉
Aber all die Gedichte, die Beispiele, die Gespräche über Lyrik machen doch Lust, diesen weiter nachzugehen.
Vielleicht muss man ein gewisses Alter erreichen – oder so eingeführt werden wie Robert – dass man etwas mit Lyrik anfangen kann?