Sabbatai Zwi
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Besprechung
Moritz T.
„Sie schloss die Millionäre aus Amsterdam, die, wie Abraham Pereira, ihr gesamtes Vermögen dem Messias opferten, ebenso ein wie die ärmsten Bettler in elenden Ecken der Diaspora.“
Scholem wendet sich gegen die These, dass die Anhängerschaft Zwis sich vornehmlich aus den ärmeren Schichten rekrutierte, die sich dann erst mit ihrer Bewegung gegen die herrschende Klasse durchsetzte.
„(…) Safed eine Art Miniaturdestillat der gesamten jüdischen Diaspora (…)“
ursprünglich von Immigranten aus Spanien dominiert; Luria und seine Schüler zogen dann aber Juden aus verschiedenen Regionen an.
„Aber glaube nicht, dass es in den Tagen des Messias ein Abweichen vom üblichen Lauf der Dinge oder irgendeine Veränderung in der kosmischen Ordnung gibt.“
Das Maimonides-Zitat zeugt von einer anti-apokalyptischen messianischen Ausrichtung. In den Messias wurden revolutionäre Tendenzen projiziert, die potentiell auch etablierte Gesetze der Tora unterminieren konnten. Dagegen nimmt hier Maimonides Stellung. Die Spannung bleibt aber latent bestehen. Scholem meint, dass das Zitat zeige, „(…) wie schwierig es ist, eine messianische und damit im wesentlichen utopische Lehre zu formulieren und gleichzeitig zu versuchen, diese utopischen Elemente zu eliminieren.“ (p. 35)
„Der Grundsatz, das Studium der Kabbala selbst beschleunige die Ankunft der Erlösung, setzte sich als allgemein akzeptierte Lehre durch (…). Von da an waren kabbalistische Esoterik und messianische Eschatologie ineinander verwoben und wirkten gemeinsam.“
Nach der Vertreibung aus Spanien (1492) setzen sich in der Kabbala eschatologische Tendenzen fest; gleichzeitig gewinnt die Kabbala an Bedeutung über den Kreis der Eingeweihten hinaus.
„1650, nur eine Generation nach der des Lurianismus, herrschte das System nahezu unbestritten vor. Die lurianische Kabbala war die klar formulierte und allgemein Form der jüdischen Theologie jener Zeit.“
Erstaunliche Karriere für eine höchst eigenwillige, esoterische Lehre (Luria und seine Schüler versuchten die Lehren geheim zu halten); auch Scholems Begründungen dafür bleiben zunächst vage und allgemein.
„Aber die entscheidende Neuerung, die das Geheimnis der Anziehungskraft des Lurianismus zu jener Zeit ausmachte, war die Übertragung der zentralen Begriffe Exil und Erlösung von der historischen auf eine kosmische, selbst göttliche Ebene. Die eschatologische Vision der Erlösung von der Unterdrückung fremder Völker erweiterte sich so sehr, dass nicht nur die gesamte Schöpfung, sondern selbst das göttliche Reich einbezogen wurde.“
Ob Luria und seine ersten Schüler tatsächlich eine solche Übertragung im Sinne hatte? Kam es nicht vielmehr nach Luria zu einer Übertragung aus der kosmischen auf die historische Ebene? Vielleicht so zu lesen: der Lurianismus ermöglichte die Übertragung aus der historischen Erfahrung in eine kosmische Dimension. – Aufgeladen in höchstem Mass mit Bedeutung und wohl auch Verantwortung: selbst das göttliche Reich bedarf der Erlösung.
„Der grösste Teil des freigewordenen Lichts steig auf zu seinem himmlischen Ursprung, aber einige Funken (nach Luria zweihundertachtundachtzig) blieben in den Bruchstücken zerborstenen Gefässe stecken.“
Kern der lurianischen Kabbala. Die Gefässe zerbrachen, sie konnten die Lichter, die aus den Augen des Urmenschen hervorbrachen, nicht „aushalten“, nicht bergen. – Eine Art kosmischer Katastrophe. Warum hat sie sich ereignet? Wer ist dafür verantwortlich? Scholem schreibt von einem „Ereignis, das in der Gottheit selbst stattfand“ (p. 55). Nicht in Gott, sondern in der „Gottheit“, die aus Elementen, aus Teilen bestehen kann? „Ohne den Bruch der Gefässe hätte jedes Ding seinen richtigen und zugewiesenen Platz eingenommen. Jetzt ist aber jedes Ding aus den Fugen geraten.“ (p. 55)
„Das Böse, so lehrten sie, ist das Ergebnis eines Prozesses, dessen Dynamik tief innerhalb der Gottheit selbst wurzelte.“
„Gewagte Konzeption“…
Jüdisches Exil als kosmische Mission
Das göttliche Drama der zerbrochenen Gefässe wird reflektiert im Exil der Juden, die das göttliche Licht aus dem Reich der Kelipa zu befreien haben.
„Die Erlösung kommt nicht plötzlich, sondern erscheint als logische und notwendige Frucht der jüdischen Geschichte.“
Und der Messias ist dann mehr ein Resultat dieses Prozesses als der Auslöser.
„Kabbalisten (…) gehören zur zweiten Kategorie (…)“
… nämlich zu denen, die im Erlösungsprozess nicht mehr geprüft werden – im Gegensatz zu den Anderen, die die apokalyptische Katastrophe erleiden, während die Kabbalisten „abseits stehen“. Diese Perspektive scheint bei der „Propagierung der kabbalistischen Lehren“ wichtig gewesen zu sein. Zugespitzt: die Kabbalisten tragen wesentlich zur Erlösung bei; wenn sie denn kommt, muss die „spirituelle Elite“ (p. 79) dafür auch nicht mehr leiden.
„Wahrhaftig eine verhängnisvolle Fehlkalkulation!“
Scholem für einmal ironisch: Vital, Schüler Lurias, sieht sich selbst als „grosse Seele“, die von der bösen Seite kontaminiert war, weshalb die Kelipa sie auch ziehen liess, auf dass sie andere infiziere. Aber Gott entriss Vital der bösen Seite. Bei einem solchen Wandel kommen List und Schlauheit zum Einsatz. Wichtiger Begriff des „Heiligen Betrugs“ für den Sabbatianismus.
„Ihre Utopie verkörperte die rein soziale und revolutionäre Haltung gegen die herrschenden Klassen in der jüdischen Gesellschaft, ging aber auch weit darüber hinaus. In der Tat erfüllte sie sie das ganze jüdische Leben und Handeln mit messianischem Inhalt.“
Polemik der (Jersualemer) Kabbalisten gegen die reichen Juden insbesondere in der Diaspora, die sich nicht um die nahende Erlösung scheren, sondern weltlichen Zielen nachjagen. Warum aber messianischem Inhalt? Fokus doch zunächst auf die Erlösung (die auch ohne den Messias vorankommt).
Erstes Kapitel „Hintergründe“
Die lurianische Kabbala wird als wichtige Wegbereiterin für den Sabbatianismus identifiziert. Scholem geht recht detailliert auf die komplexen Lehren Lurias ein. Obwohl Luria und seine unmittelbaren Schüler in Safed (Palästina) Wert auf Esoterik legten, verbreitete sich die lurianische Kabbala über die Jahrzehnte, vor allem nach Italien und Polen, wo der Lurianismus stark von lokalen Einflüssen geprägt war. Luria fasste das Exil (nach dem Trauma der Vertreibung aus Spanien 1492 ein höchst aktuelles Thema) nicht als Strafe, sondern als Mission von kosmischer Dimension auf. Denn die göttlichen Funken selbst sind nach dem Urdrama der zerbrochenen Gefässe im Exil und müssen wieder versammelt werden. Damit einher geht eine Selbstermächtigung: die Kabbalisten können die Erlösung mit herbeiführen, den Boden bereiten für den Messias; als Belohnung winkt eine Sonderbehandlung in der Apokalypse – nicht zu unterschätzender Anreiz für die Rekrutierung von Kabbalisten. Die Erlösung ist möglich und nahe, und sie hat eine irdische, sozialrevolutionäre Komponente. Scholem wirft einen Seitenblick auf ähnliche gelagerte chiliastische Tendenzen in den christlichen Kirchen, die von den Amtsträgern aus verständlichen Gründen bekämpft wurden, verneint aber einen starken Einfluss.
„Solche ‚Intentionen‘ sind der Höhepunkt der lurianischen Praxis, aber Sabbatai kümmerte sich nicht um sie.“
Sabbatai in seinen Anfängen kaum beeinflusst von Luria. Statt auf Gebetsmeditationen (=“Intentionen“) konzentriert sich Sabbatai auf einzelne Wörter, die er ausspricht und deren Sinn er ergründet. Auch späterhin orientiert sich Sabbatai eher am Sohar als an Luria (p. 144).
Krankheit Sabbatai Zwis
Klare Diagnose Scholems: manisch-depressive Psychose, „mit paranoiden Zügen“.
„Sabbatai Zwi fühlte sich einem höheren und geheimen Impuls unterworfen, der ihn zu gänzlich irrationalen Handlungen trieb, die Gebote der Tora zu schmähen und ihre Würde zu verletzen.“
Die manischen Phasen finden in einer aggressiven, antinomistischen Haltung ihren Ausdruck. Sehr bestimmte Formulierungen Scholems, etwas heikel aus grosser Distanz; woher weiss er, dass es bei Zwi einen „verborgenen, unbewussten Widerstand gegen das traditionelle religiöse Gesetz“ gab?
„Das innere Gesetz der sabbatianischen Bewegung entsprang der Tiefe der zerrissenen Persönlichkeit ihres Gründers, obgleich ihm die selbst die intellektuelle Kraft zu seiner Formulierung fehlte.“
Zwi interpretierte (gemäss Scholem) sein offenbar früh schon anti-nomistisches Verhalten in den manischen Phasen als „göttlichen Ruf“. Die Grenzüberschreitungen waren gerade ein Zeichen der Auserwähltheit.
Anwendung „praktischer Kabbala“
Quellen-Hinweis auf magische Praktiken Sabbatais.
„Selbst alte Freunde und Schüler traten erst durch Nathans Evangelium zum Glauben an seine Messianität über.“
Entscheidende Rolle des „Propheten“ Nathans in der Messianisierung Sabbatais.
„Aber die Behandlung überraschte. Nathan verkündete ihm, seine Seele wäre von sehr hohem Rang und bedürfte keines Tikkun. Er wäre sogar der Messias.“
Sabbatai Zwi suchte Heilung von seiner Krankheit bei Nathan, und erfährt seine Verherrlichung. Sabbatai nicht überzeugt, dass er der Messias ist…- Hierarchie der Seelen.
Erörertung christlicher Einflüsse auf Nathan bzw Sabbatai.
Scholem legt hier wie auch andernorts grossen Wert auf eine differenzierte Abgrenzung von christlichen Einflüssen.
„‚Mir wurde ein handgeschriebenes Buch offenbart, worin der Name des Erlösers und seines Vaters und auch sein Geburtsjahr war.'“
Nathan mit einem Beleg für die Messiasmission Sabbatais. Allerdings hat er diesen Beleg selbst geschrieben, vermutet Scholem, nach einer himmlischen Offenbarung. Ist das ein Akt der Täuschung? Oder eine Bekräftigung, die er in einem tranceartigen Zustand erfahren hat? s. auch den Gründungsmythos der Mormonen.
Sabbatais Neigung zur Gematrie
Er entdeckt, dass der Zahlenwert des göttlichen Namens Schaddaj 814 ist – derselbe wie für Sabbatai Zwi. Er lässt sich einen Ring anfertigen mit der Gravur „Schaddaj“. Die Verbindung zu Gott wird externalisiert und in Symbolen und Zahlenmystik dargestellt. Auch eine Art der Selbstvergewisserung?
„Siebenmal ritt er um die Stadt und zeigte sich der Öffentlichkeit ‚auf seinem Pferd, in einen grünen Mantel, entsprechend seinen mystischen Absichten gekleidet‘.“
Jetzt ist Sabbatai für alle sichtbar in seine Messias-Rolle geschlüpft. Er hatte Gelder gesammelt in Ägypten und war nach Jerusalem zurückgekehrt, wo er der Unterschlagung und des Willens zum „Herrschen“ angeklagt, aber freigesprochen wurde. Dann die triumphale Umrundung der Stadt. Grüner Mantel: vermutlich muslimisch beeinflusst (Farbe des Paradies).
„Sabbatai hatte die Flagge der Rebellion gehisst (…)“
Offen antinomistisches Auftreten; Zwi hatte das rituell verbotene Essen von Nierenfett mit einem Segenspruch begleitet. Die drastische Strafe, die die Tora dafür vorsieht, bringt dieses Vergehen auf dieselbe Stufe wie beispielsweise Inzucht. Implizit hat damit Zwi auch das Inzuchtverbot unterlaufen. Heftige Reaktion der Rabbiner. – Scholem relativiert immer wieder, weil die Quellen nicht eindeutig sind. Aber es scheint zu einer Exkommunikation von Zwi in Jerusalem gekommen zu sein. Einige Rabbiner aber wurden zu Anhängern des Messias.
„Es gibt auch wirklich indirekte Belege, die vermuten lassen, dass Nathan sich schon in dieser frühen Phase für den Gilgul (die Reinkarnation) Lurias hielt.“
Sabbatai Zwis Prophet mit Extra-Legitimation…
Glaube „ohne Zeichen und Wunder“
An einen wundertätigen Messias glauben kann jeder; die Sabbatianer zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht darauf angewiesen sind. Hindert natürlich nicht die Legendenbildung.
Christliches Element.
„(…) dass Nathan sich intensiv mit dem Problem früherer Messiase beschäftigte.“
Der Messias ist prinzipiell eine singuläre Gestalt. Aber Sabbatai respektive Nathan setzten sich damit auseinander, dass es schon frühere „Messiasse“ gab (man meint in diesem Plural bei Scholem eine leichte Ironie zu vernehmen). Dass es schon frühere Messias-Proklamationen gab: soll man sie als Fehlalarm am besten ignorieren? Nathan entscheidet sich für eine offensive Strategie. Jesus soll sogar von Sabbatai erlöst werden.
„Jedenfalls ist die Wurzel der Seele des Messias tief in die untere Tehiru gesunken. Der Messias wird seit Beginn der Welt von den Kelipoth geknechtet (…)“
Nathan schafft Platz und Funktion für die Seele des Messias in der lurianischen Kabbala, und zwar auf der dunklen Seite des Tehiru, des Raumes, der nach dem Zimzum entsteht, und wo das Böse haust: Dort wird die Seele des Messias an der Erfüllung seiner Aufgabe gehindert. Heroischer Kampf dieser Seele (p. 323), Metaphysische Erklärung für Sabbatais extremes manisch-depressives Gefühlsleben (p. 328).
Kapitel „Die Anfänge der Bewegung in Palästina“
Der Messias als Geschöpf seines Propheten Nathans. Scholem fokussiert auf Nathan und seine Schriften. Sabbatai Zwi erscheint hier mehr eine willige Projektionsfigur. Die manisch-depressiven Züge Sabbatais sind Ausdruck des messianischen Leidens. Nathan stellt den Anschluss an die Theorien der lurianischen Kabbala her, in spektakulär anmutenden Figuren: der Messias ist in der Welt des Bösen gefangen und kämpft einen heroischen Kampf. Sabbatais eigene Messias-Konzeption scheint eher christlich inspiriert, paradoxes Konzept des Glaubens, das ohne Zeichen und Wunder auskommt. Paradox der Grenzüberschreitung: dass Sabbatai Gebote nicht einhält, ist Zeichen seiner Auserwähltheit. Auseinandersetzung auch mit früheren Messias-Gestalten.
Leider ist kein Briefwechsel Nathan-Sabbatai erhalten. Wie intensiv war der Dialog zwischen Prophet und Messias?
Rezeption der traditionellen Kabbalisten und Rabbiner gespalten: es gelangt Nathan durchaus, Anhänger auch unter den Gelehrten zu gewinnen. Noch aber bleibt schleierhaft, wie es zu einer Massenbewegung über Gaza hinaus kommen konnte.
„Der Umstand, dass seine Erleuchtung mit der Anwesenheit einer Scharf faszinierter und tief bewegter Anhänger zusammentraf, löste einen Teufelskreis aus.“
Sabbatai in Smyrna, manisch exaltiert an Chanukka 1665, Gebote übertretend. Etwas überraschende Wortwahl Scholems („Teufelskreis“).
„Handel und Gewerbe ruhten in der Stadt.“
Smyrna im Banne des Messias. Festliche Prozessionen, Bussübungen…
„Die jüdischen Gegner Sabbatais und die Ungläubigen scheinen dabei auch ihre Hand im Spiel gehabt zu haben.“
Der Aufruhr unter den Juden bewegte die türkische Regierung zur Festnahme Sabbatais. Dabei scheinen auch jüdische Gegner des Messias mitgewirkt zu haben.
„Die Bewegung bis hin zu Sabbatais Gefangennahme in Gallipoli (1665-1666)“
Etwas verhaltene Erzählung, Auslegeordnung der Quellen. Langfädig zu den Berichten über militärische Aktionen der biblischen „Zehn Stämme“. Fake News im 17. Jahrhundert. Die Eroberung Mekkas steht unmittelbar bevor, oder ist schon erfolgt, durch ein riesiges jüdisches Heer, das unbesiegbar scheint… Soll wohl in erster Linie die Apokalypse-Bereitschaft unterstreichen. – Die jüdische Elite in Smyrna und Konstantinopel durchaus gespalten, „Ungläubige“ aber zunächst eher in der Defensive.
„In der ersten Phase der Begeisterung scheinen auch Vorbereitungen getroffen worden zu sein, , die Gebeine der Toten ihren Gräbern zu entnehmen und in das Heilige Land zu bringen.“
Die Welle der Begeisterung erreicht die oberitalienischen Städte, und insbesondere Amsterdam. Reiche holländische Juden verkauften ihren Besitz und rüsteten sich für die Reise nach Palästina.
Vergleiche auch die Tagebücher von Samuel Pepys, Band 7, p. 47, 19.2.1666:
«Here I am told for certain, what I have heard once or twice already, of a Jew in town, that in the name of the rest doth offer give any man 10l, to be paid 100l if a certain person now at Smirna be within these two years owned by all the princes of the East, and perticularly the Grand Segnor, as the King of the World, in the same manner we do the King of England here, and this man ist he true Messiah.»
Der Ruf von Sabbatai Zwi dringt bis ins entschieden anglikanische Milieu Pepys’ vor. Hier scheint ein Jude auf den Messias zu wetten; bei Scholem werden Beispiele genannt, in denen Juden in Erwartung der Erlösung ihr Vermögen weggeben. Pepys notiert, dass das Jahr 1666 ein «year of great action» sei. Die Pestepidemie scheint sich immerhin jetzt allmählich zu verflüchtigen in London.
„Eine Verfügung von König Johann Kasimir vom 5. Mai verbot den Juden, Sabbatais Bild zu tragen (…)“
Polen: Die gläubigen Juden in Vorfreude auf die Erlösung, und offenbar auch auf Rache an den christlichen Nachbarn sinnend. Unruhen…
„Die Gefängniswärter in Gallipoli merkten bald, dass sie hier über eine Goldader verfügten.“
Gegen eine „Gebühr“ konnte man den gefangenen Messias besuchen.
„(…) und lebten auf den Feldern, wo sie in Sack und Asche fasteten und für das Kommen des Messias beteten.“
Augenzeugenberichte aus Persien. Auf Mahnungen, an die zu entrichtenden Steuern zu denken, antworteten die Gläubigen, dass sie niemals wieder Steuern zahlen würden, denn der Erlöser sei gekommen…
„Nachdem ihn das Konsilium befragt, und er jeden messianischen Anspruch geleugnet hatte, erkaufte sich Sabbatai sein Leben um den Preis der Apostasie.“
Sabbatai in Adrianopel, vor einem Gremium des Sultans. Er konvertiert zum Islam.
Die Sabbatianer im Untergrund
Nach der Apostasie des Messias brach die messianische Bewegung nicht zusammen, aber mindestens in der Türkei drängte die jüdische Orthodoxie die Sabbatianer in den Untergrund.
„Unterdessen war der Monat Ellul (September) 1667 vergangen und die ‚himmlische Proklamation‘ von 1665 hatte sich ungeachtet Nathans wiederholter Bekräftigung, nicht erfüllt.“
Problem aller Prophezeiungen: sie ziehen ihre Kraft aus der Nennung eines konkreten Datums. Unbarmherzig geht die Zeit darüber hinweg. Nathan wenig beeindruckt: er nennt andere mögliche Daten für das Erlösungsgeschehen. Und er konzentriert sich darauf, das Mysterium der Apostasie des Messias zu erklären.
„Seine Umschreitungen, ‚immer um den Palast herum‘, waren ein magischer Ritus, um die Zerstörung Roms herbeizuführen (…)“
Der Prophet Nathan geht um den päpstlichen Palast herum. „Praktische Kabbala“, möglicherweise im Auftrag des Messias.
„Wenn die verächtlichste Tat, die der jüdische Geist am meisten verabscheut, zum theoretischen Eckstein der sabbatianischen Lehre werden konnte, dann waren alle Grenzen aufgehoben, und des gab nichts mehr, vor dem das Denken haltmachen musste.“
„Tür und Tor“ offen „für die ganz nihilistische Umwertung der religiösen Werte.“
„Ein Verlangen nach Erlösung durch die mystische Macht der Heiligkeit, verbunden mit einem alptraumhaften Bewusstsein der dämonischen Gewalt, verlieh dieser Geschichte eine Bedeutung von Mysterium und Tragödie, die selbst in der Darstellung der Nicht-Sabbatianer gegenwärtig ist (…)“
Scholem zieht nach mehr als tausend Seite eine knappe Bilanz.