Samuel Pepys
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Besprechung
Moritz T.
„The shamelessness of his self-observation deserves to be called scientific.“
Pepys mit Distanz zu sich selbst in den Tagebüchern.
„Home meant the familiar reek which everyone breathed.“
Intensives olfaktorisches Profil eines Haushalts: Im London des 17. Jahrhunderts war es erwähnenswert, wenn man sich einmal im Jahr die Haare wusch. Kleider und Bettwäsche wurde nicht häufig gewechselt. Wenn eine Haushaltshilfe, eine „maid“ zur Familie stiess, musste sie mit deren Geruch zurecht kommen, und sie trug ihrerseits zum Geruchsprofil bei. Mikrobiom der Familie. Natürlich gilt das auch heute noch, aber die Geruchsintensität dürfte doch etwas nachgelassen haben.
„Without his enthusiasm for himself, the Diary would hardly have begun to take shape as it did.“
Pepys ist knapp 27 Jahre alt, als er mit dem Tagebuch beginnt. Er hat einen Abschluss in Cambridge vorzuweisen, aus dem sich aber nicht ohne weiteres eine Karriere ergibt. Sein unmittelbarer familiärer Hintergrund prädestiniert ihn auch nicht dafür; er ist weitgehend mittelos. Er erledigt für seine beiden Arbeitgeber random jobs; immerhin ist der eine, Edward Montagu, verwandt mit Pepys, eine zentrale Figur unter Cromwell und nahe am Machtzentrum. Montagu – unter Charles II. dann Lord Sandwich – navigiert geschickt durch die politischen Turbulenzen.
„Enthusiasm for himself?“ Vermutlich. Aber das allein erklärt nicht, wie er dazu kam, dieses Tagebuch zu führen, das auf verschiedenen Ebenen operiert; es verzeichnet Zahnschmerzen und politische Intrigen. Der Enthusiasmus erstreckt sich auch auf die Beobachtung der Umwelt, natürlich immer durch den Filter des Selbst.
„God’s name comes up in his pages as a tic of usage, routine rather than reverential (…)“
Nach Tomalins Einschätzung ist Pepys nicht sonderlich religiös. Immerhin phasenweise doch häufig am Sonntag im Gottesdienst, wo er den Predigten aufmerksam zuhört – und sie häufig als „schwach“ apostrophiert.
„His hostility and aggression take on particularly dark colours when he describes himself making sexual advances to Penn’s daughter Pegg.“
Auffällig in der Tat in den Tagebüchern, wie negativ die Bürokollegen Penn und Batten beschrieben werden. Was sind die Motive für die kaum sehr faire Charakterisierungen? Oder die Demütigung Penns, die er mit der Verführung Peggs wohl hauptsächlich im Sinn hatte? Pepys reflektiert das kaum; die negativen statements werden in Tagebüchern einfach festgehalten.
„Pepys made another vow to leave women alone and this time kept it until it ran out on 15 May.“
Als bilde das Tagebuch die Wirklichkeit ab. Analog argumentieren die Herausgeber der wissenschaftlichen Edition der Tagebücher, Latham und Matthews, als sie festhalten, Pepys habe einen Schwur eingehalten (cf. Fussnote zum 13.6.1663). Spricht für die Authentizität und die Suggestivkraft der Tagebücher.
„War“
Wie schlägt sich eine nationale Krise (England verliert den (See-) Krieg gegen Holland) im Leben eines Beamten wieder, dessen Behörde, die Marine, im kritischen Fokus stand? Tomalin fasst das auf wenigen Seiten gekonnt zusammen. Pepys ist im Sommer 1667 vor allem besorgt um sein eigenes Hab und Gut, das er schon mal vorsorglich in Sicherheit bringen lässt, also auch London nicht mehr sicher zu sein scheint. Zwischendurch findet er Zeit für seine erotischen Abenteuer (Pepys hatte seine Frau – mit einem Teil des Vermögens – aufs Land geschickt), und mit geschicktem Taktieren profitiert er am Ende von der kritischen Situation. – Kontrast mit der offiziellen Darstellung von Pepys‘ Verhalten im „Navy White Book“. Auch in Krisenzeiten geht das Leben weiter und man muss es geniessen und Gelegenheiten nutzen; so war Pepys schon erfolgreich durch die Pestzeit navigiert.
„Elizabeth never found out.“
Nämlich dass ihr Ehemann mit grosser Energie hinter Betty Michell her war. Wirklich? Vielleicht trifft das auf diese Geschichte zu, aber kaum vorstellbar, dass Elizabeth nicht wusste, was Pepys mit den maids trieb, zumal Pepys durchaus in Gegenwart seiner Frau zu Flirts aufgelegt war.
„Three Janes“
Originell, drei Janes aus den Tagebüchern in einem Kapitel zusammenzubringen, aber kaum zwingend. Wenn es darum geht, die Vielfalt von Pepys Beziehungen zu Frauen zu illustrieren, hätten sich eher andere Figuren aufgedrängt. Die für Pepys wichtigste der drei Janes ist Jane Birch, die als Dienstmädchen begann und zu einem Teil der Familie wurde, in einer Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen, hier über die Tagebuchjahre (1660-1669) und darüber hinaus von Tomalin mit pointierten Einschätzungen und Lücken füllenden Mutmassungen anschaulich erzählt.
„Speeches and Stories“
Extra-Kapitel zu Pepys‘ Lust an der Sprache und seinem Talent der Dramatisierung kleiner Ereignisse.
„He had no real home of his own (…); no children to carry his name forward and keep his memory alive; instead, many dependants, many of them embarassing ones.“
Wenig erbauliche Bilanz zu Beginn der 1680er Jahre. Zwar war Pepys Mitglied des Parlaments geworden, aber er hatte sich massiver Intrigen zu erwehren, seines angeblichen Katholizismus‘ wegen. Er hatte keine finanziellen Sorgen, aber er konnte sich nicht mit vermögenden Freunden wie den Houblons messen. Der König Charles II und der Duke of York (Bruder und Nachfolger von Charles als James II) hatten Pepys treue Dienste kaum adäquat vergolten; erst 1684 – die Tories, zu denen sich Pepys bekannte, hatten die Oberhand über die Whigs gewonnen – wurde er zum secretary for the affairs of the Admirality of England ernannt, eine Position mit „ministerial powers“ (p. 332). Und er wurde im selben Jahr zum Präsident der Royal Society gewählt. – In der Bilanz fehlt der Hinweis auf die Beziehung zu Mary Skinner, die Pepys kurz nach dem Tod seiner Frau kennengelernt hatte. „Without being wife or muse, she remained his companion for thirty-three years.“ (p. 304) Wir wissen wenig von Mary; sie lebte immerhin wesentlich länger an der Seite von Pepys als Elizabeth, die aber dank den Tagebüchern der Nachwelt ungleich präsenter erscheint.