Schloß Gripsholm / Rheinsberg
Fügen Sie Ihre Bewertungen hinzu
Besprechung
Gaby K.
Briefwechsel Rowohlt – Tucholsky – herrlich 🤗 Und sagt auch viel über ihre Beziehung aus. Und über die Zeit, in der der Briefwechsel spielt (nämlich 1931).
Ausserdem betrüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und erlebe daher nichts Romantisches.
Wie so mancher Workoholic…
Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein.
Bitterböse – aber auch etwas wahr…
Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück.
Lydia stammte aus Rostock, und sie beherrschte dieses Idiom in der Vollendung. Es ist kein bäurisches Platt – es ist viel feiner. Das Hochdeutsch darin nimmt sich aus wie Hohn und Karikatur; es ist, wie wenn ein Bauer in Frack und Zylinder aufs Feld ginge und so ackerte.
„Die glatt gebohnerte Treppe der deutschen Grammatik“ – da stimmen sicher viele, die Deutsch lernen, zu.
Und auch das Bild des Bauern im Frack und Zylinder – einfach herrlich.
Und dann ist da im Platt der ganze Humor dieser Norddeutschen; ihr gutmütiger Spott, wenn es einer gar zu toll treibt, ihr fest zupackender Spass, wenn sie falschen Glanz wittern, und sie wittern ihn, unfehlbar …
Ich überlege, ob ich einen Norddeutschen auch so beschreiben würde. Für mich sind sie einfach „fadengerade“, sagen ganz klar, was sie denken. Gutmütiger Spott? Vielleicht.
Gegen mich hatte sie noch immer, nach so langer Zeit, ein leise schnüffelndes Misstrauen – die Frau hatte einen guten Instinkt.
Selbstkritisch mit ironischem Unterton.
„Alle Frauen sind pedantisch“, sagte ich. – „Ausser dir!“ sagte Lydia. – „Ich bin keine Frau.“ – „Aber pedantisch!“ – „Erlaube mal“, sagte ich, „hier liegt ein logischer Fehler vor. Es ist genauestens zu unterscheiden, ob pro primo…“
Einer von vielen herrlichen Dialogen zwischen den beiden – da kommen noch viele in dieser Art und Weise.
Ich denkelte so vor mich hin
Sehr hübscher Ausdruck – das tue ich auch manchmal
Ich war damals zum Tee bei ihr und bot den diskret lächerlichen Anblick eines Mannes, der balzt. Dabei sind wir ja rechtschaffen komisch… Ich machte Plüschaugen und sprach über Literatur – sie lächelte. Ich erzählte Scherze und beleuchtete alle Schaufenster meines Herzens.
Das ist so genial beschrieben, man sieht seine Plüschaugen deutlich vor sich.
„Im Speisewagen werden die Kellner immer von der Geschwindigkeit des Zuges angesteckt, und es geht alles so furchtbar eilig – ich habe aber einen langsamen Magen…“
Das hat was – man hat immer das Gefühl, man isst schneller im (bedienten) Speisewagen.
Mit Karlchen und Jakopp hatte ich der Einfachheit halber erfunden, jeder Stadt den ihr zugehörigen Fluss zu geben: Gleiwitz an der Gleiwe, Bitterfeld an der Bitter und so fort.
Das finde ich eine geniale Idee. Wobei – dann läge Basel an der Base – und Köln an der Kölin?
„Mein Lieber“, sagte die Prinzessin, „wenn einer übermässig viel Fachausdrücke gebraucht, dann stimmt da etwas nicht. Also du weisst es auch nicht. Peter, dass du so entsetzlich dumm bist – das ist schade.
Darauf muss ich mal achten – stimmt das mit den Fachausdrücken?
… dann spielten wir das Bücherspiel: jeder las dem andern abwechselnd einen Satz aus seinem Buch vor, und die Sätze fügten sich gar schön ineinander.
Das muss ich mal ausprobieren, könnte mir vorstellen, dass das wirklich klappt.
„Hast du schwedischen Geldes?“ fragte die Prinzessin träumerisch. Sie führte gern einen gebildeten Genitiv spazieren und war demzufolge sehr stolz darauf, immer „Rats“ zu wissen. „Ja, ich habe schwedische Kronen“, sagte ich. „Das ist ein hübsches Geld – und deshalb werden wir es auch nur vorsichtig ausgeben.“
Der gebildete Genitiv – köstlich. Ebenso, dass man Geld vorsichtig ausgibt.
Die Schweden sprechen anders deutsch als die Dänen: die Dänen hauchen es, es klingt bei ihnen federleicht, und die Konsonanten liegen etwa einen halben Meter vor dem Mund und vergehen in der Luft, wie ein Gezirp. Bei den Schweden wohnt die Sprache weiter hinten, und dann singen sie so schön dabei…
Wieso sprechen die Dänen – oder Schweden – überhaupt deutsch? Ob das 1931 wirklich so war? Trotzdem: sehr hübsch beschrieben mit dem Hauchen und Zirpen. Und dass die Sprache „weiter hinten wohnt“ – grossartig.
„Die Bouillon“, sagte die Prinzessin, „sieht aus wie Wasser in Halbtrauer!“ – „So schmeckt sie auch.“
Die Bouillon wollte ich auch nicht trinken.
Und Schnaps gab es nur zu bestimmten Stunden, wodurch wir unbändig gereizt wurden, welchen zu trinken – er war klar und rein und tat keinem etwas, solange man nüchtern blieb.
So ist das mit den Einschränkungen, wenn es welche gibt, will man sie entweder umgehen oder dann erst recht.
Und dass er keinem was tut, wenn man nüchtern bleibt – auch wahr.
Wie einförmig sind doch unsre Städte geworden.
Was, das war schon 1931 so? Unglaublich.
… die Welt hat eine abendländische Uniform mit amerikanischen Aufschlägen angezogen. Man kann sie nicht mehr besichtigen, die Welt – man muss mit ihr leben oder gegen sie.
Auch das erstaunt mich, dass das 1931 so war. Aber es stimmt, man kann sie nicht besichtigen, man muss mit oder gegen sie leben.
Viele schöne Gemälde hingen da. Mir sagten sie nichts. Ich kann nicht sehen. Es gibt Augenmenschen, und es gibt Ohrenmenschen, ich kann nur hören. Eine Achtelschwingung im Ton einer Unterhaltung: das weiss ich noch nach vier Jahren. Ein Gemälde? Das ist bunt.
Wieder trefflich beschrieben, der Unterschied zwischen visuellen und auditiven Menschen.
Und als wir gemietet hatten, sprach ich die goldenen Worte meines Lebens: „wir hätten sollen…“
Wie oft hätten wir schon sollen…
„Wissen Sie“, sagte er nachdenklich, „den Affen kennen alle – aber der Affe kennt keinen.“ Und das sahen wir denn auch ein.
Auch das hat was – es gibt Leute, die einem kennen, aber sie kennen niemand.
„Raschle nicht so bösartig mit der Zeitung!“
Kein Kommentar
Das Schloss Gripsholm strahlte in den Himmel; es lag beruhigend und dick da und bewachte sich selbst. Der See schaukelte ganz leise und spielte – plitsch, plitsch – am Ufer.
Das Schloss bewacht sich selbst – und der See spielte am Ufer. Ich liebe es!
„In meinem Papierkorb ist mehr Ordnung als in dem seinen Kopf!
Das passt auf einige Leute…
„Erst habe ich gemerkt“, sagte ich, „wie es ist. Und dann habe ich verstanden, warum es so ist – und dann habe ich begriffen, warum es nicht anders sein kann. Und doch möchte ich, dass es anders wird. Es ist eine Frage der Kraft. Wenn man sich selber treu bleibt…“
Hmm…
Man soll nie jemand nach dem fragen, was man wissen will, das ist eine alte Weisheit. Dann sagt er’s nicht.
Was für eine gescheite Weisheit!
Ich spielte hauptsächlich auf den schwarzen Tasten; man kann sich besser daran festhalten.
Muss ich mal ausprobieren, ob das stimmt…
„So still, wie es jetzt ist, so sollte es überall und immer sein, Lydia – warum ist es so laut im menschlichen Leben?“ – „Meinen lieben Dschung, das findest du heute nicht mehr – ich weiss schon, was du meinst. Nein, das ische woll ein für alle Mal verlöscht…“ – „Warum gibt es das nicht“, beharrte ich. „Immer ist etwas. Immer klopfen sie, oder sie machen Musik, immer bellt ein Hund, marschiert dir jemand über deiner Wohnung auf dem Kopf herum, klappen Fenster, schrillt ein Telephon – Gott schenke uns Ohrenlider. Wir sind unzweckmässig eingerichtet.“ – „Schwatz nicht“, sagte die Prinzessin. „Hör lieber auf die Stille!“
Es war so still, dass man die Kohlensäure in den Gläsern singen hörte.
Auch hier staune ich, dass das 1931 schon so war. Und das Bild mit der singenden Kohlensäure ist mal wieder so hübsch
So ein winziger Bahnhof war das; eigentlich war es nur ein kleines Haus, das aber furchtbar ernst tat und vor lauter Bahnhof vergessen hatte, dass es Haus war.
Ist sie nicht einfach grandios, diese Beschreibung.
Einen Zug gab es hier nicht – nur einen Motorwagen. Er hatte sich einen kleinen Schornstein angesteckt, damit man es ihm auch glaubte.
Jöh
Die grössten Vorzüge dieses Mannes lagen, neben seiner Zuverlässigkeit, im Negativen: was er alles nicht sagte, was er nicht tat, nicht anstellte…
Wie war, das ist ein sehr grosser Vorzug!
Erholung ist eine Arbeit, finde ich. Man macht und tut, auch wenn man gar nichts tut – und man merkt es erst hinterher, wie…?“
Das stimmt, Erholung ist auch Arbeit.
„Karlchen, was liest du jetzt eigentlich für eine Zeitung? – Er nannte den Namen. „Man soll nicht nur eine lesen“, lehrte ich weise. „Das ist gar nichts. Man muss mindestens vier Zeitungen lesen und eine grosse englische oder französische dazu; von draussen sieht das alles ganz anders aus.“
Da kenne ich jemanden, der das sicher unterstreichen würde!
Daddy, weisst du noch, was auf der alten Uhr stand, die wir in Lübeck zusammen gesehen haben und die wir damals nicht kaufen konnten?“ – „Ja“, sagte ich. „Es stand drauf: Lasset die Jahre reden.“
Kein Kommentar
Wir fassten uns mit den Augen bei den Händen.
Wie schön, das kann man nämlich.
Meist bildeten die beiden eine Einheit – nicht etwa gegen mich… aber ein bisschen ohne mich.
Dieses Gefühl kennt man – aber gut, wenn es nicht gegen einem eine Einheit gibt.
Meine Jugend fiel in eine Zeit, wo die Takelage der Frau eine sehr komplizierte Sache war – zu denken, was sie da alles zu haken und zu knöpfen hatten, wenn sie sich anzogen! Ein Ehebruch muss damals eine verwickelte Sache gewesen sein.
Hihi
Jakopp hat mal erzählt, wenn sie mit ihrem Korps einen Ausflug gemacht haben, dann war da immer einer, das war der Auskunftshirsch. Der musste es alles wissen. Und wenn er gefragt wurde: Was ist das für ein Gebäude? – dann sagte er a tempo: Das ist die Niedersächsische Kreis-Sparkasse! Er hatte keinen Schimmer, aber alle Welt war beruhigt: eine Lücke war ausgefüllt.
Glänzende Idee! Das muss man so übernehmen. „Si non e vero, se ben trovato“!
„Ruddeln“, das ist so ein Wort für: klatschen, über jemand herziehen. Man konnte gar nicht folgen, so schnell ging es. Hopphopphopp… schade, dass man nicht dabeisein kann, wenn die andern über uns sprechen – man bekäme dann einigermassen die richtige Meinung von sich. Denn niemand glaubt, dass es möglich sei, so unfeierlich, so schnell, so gleichgültig-nichtachtend Etiketten auf Menschenflaschen zu kleben, wie es doch überall geschieht. Auf die andern vielleicht – aber auf uns selber?
Ruddeln ist Plattdeutsch? Das sagt man auf jiddisch auch.
Will man wirklich wissen, wie anderen einen ‚etikettieren‘? Wohl besser nicht.
„Heute ist vorgestern“, sagte sie. Das war so ihre Art der Zeitrechnung; da wir übermorgen fortfahren wollten, so war heute vorgestern.
Ich mag diese Zeitrechnung
„Ja, du wirst. Wenn sie dir das Futurum wegnehmen, dann bleibt da aber nicht viel.“
Das würde bei einigen nichts bleiben!
Hier tobte der Urdrang der Menschheit: der nach Macht, Macht, Macht. Und nichts trifft solch ein Wesen mehr als ein unerwarteter Aufstand. Dann stürzt eine Welt ein.
Leider ist das so – und doch gibt es auch Hoffnung, wenn man sich dagegen auflehnt…
Da steht Gripsholm. Warum bleiben wir eigentlich nicht immer hier? Man könnte sich zum Beispiel für lange Zeit hier einmieten, einen Vertrag mit der Schlossdame machen, das wäre bestimmt gar nicht so teuer, und dann für immer: blaue Luft, graue Luft, Sonne, Meeresatem, Fische und Grog – ewiger, ewiger Urlaub.
Nein, damit ist es nichts. Wenn man umzieht, ziehen die Sorgen nach. Ist man vier Wochen da, lacht man über alles – auch über die kleinen Unannehmlichkeiten. Sie gehen dich so schön nichts an. Ist man aber für immer da, dann muss man teilnehmen. „Schön habt ihr es hier“, sagte einst Karl der Fünfte zu einem Prior, dessen Kloster er besuchte. „Transeuntibus!“ erwiderte der Prior. „Schön? Ja, für die Vorübergehenden.“
Transeuntibus – wie wahr.
Und doch ist er selbst 1929 nach Schweden gezogen…
„Bist du verheiratet?“ fragte die Prinzessin. „Na, das hat noch gefehlt!“ – „Alte“, sagte ich. „Nein, wir Landstreicher, wir sind ja nicht verheiratet. Und wenn wir es wären … Fünf Wochen, das ginge gut, wie? Ohne ein Wölkchen. Kein Krach, keine Proppleme, keine Geschichten. Fünf Wochen sind nicht fünf Jahre. Wo sind unsre Kümmernisse?“ – „Wir haben sie in der Gepäckaufbewahrungsstelle abgegeben … das kann man machen“, sagte die Prinzessin. „Für fünf Wochen“, sagte ich. „Für fünf Wochen geht manches gut, da geht alles gut.“ Ja… vertraut, aber nicht gelangweilt; neu und doch nicht zu neu frisch und doch nicht ungewohnt: Scheinbar unverändert lief das Leben dahin … Die Hitze der ersten Tage war vorbei, und die Lauheit der langen Jahre war noch nicht da. Haben wir Angst vor dem Gefühl? Manchmal, vor seiner Form. Kurzes Glück kann jeder. Und kurzes Glück: es ist wohl kein andres denkbar hienieden.
(Anmerkung zu Landstreicher: das Mädchen Ada fragt davor, ob sie Landstreicher seien, wie Frau Adriana gesagt hatte. Und was sie denn anstreichen…).
(2. Anmerkung: Proppleme ist wirklich so geschrieben…)
Dieser Teil ist wohl autobiographisch, denn die beiden Ehen von Tucholsky hielten nicht lange. Über seine Beziehungen zu Frauen wird heute noch spekuliert.
„Das sind alles keine Trinksprüche, Daddy. Weisst du keinen andern? Du weisst einen andern. Na?“
Ich wusste, was sie meinte.
„Martje Flor“, sagte ich. „Martje Flor!“
Das war jene friesische Bauerntochter gewesen, die im Dreissigjährigen Kriege von den Landsknechten an den Tisch gezerrt wurde; sie hatten alles ausgeräubert, den Weinkeller und die Räucherkammer, die Obstbretter und den Wäscheschrank, und der Bauer stand daneben und rang die Hände. Roh hatten sie das Mädchen herbeigeholt – he! da stand sie, trotzig und gar nicht verängstigt. Sie sollte einen Trinkspruch ausbringen! Und warfen dem Bauern eine Flasche an den Kopf und drückten ihr ein volles Glas in die Hand.
Da hob Martje Flor Stimme und Glas, und es wurde ganz still in dem kleinen Zimmer, als sie ihre Worte sagte, und alle Niederdeutschen kennen sie.
„Up dat et uns wohl goh up unsre ohlen Dage –!“ sagte sie.
Und der Schluss spricht für sich selbst. Das wünsche ich uns allen!
Hier beginnt nun:
Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte
„Pass auf, Frauchen, wo ist der Koffer mit dem falschen Geld? – Ah, da…“
Der Hausknecht liess den Mund weit offen stehen, sperrte die Augen auf…
Andere zu irritieren – siehe auch nächste Stelle
Sie sagten sich häufig Dinge, die nicht recht zueinenader passten, nur um diese oder jene Redewendung anbringen zu können, den anderen zu irritieren, sein Gleichgewicht zu erschüttern…
Das ist zwar wirklich witzig, aber wohl auch anstrengend…
Der Lärm ihres täglichen Lebens, den sie nicht mehr hörten, den die Nerven aber doch zu überwinden hatten, der eine bestimmte Menge Lebensenergie wegnahm, ohne dass man es merkte…
Das war also schon vor 100 Jahren so – wie ginge es ihnen wohl heute mit dem Lärm des täglichen Lebens?
Er war aber nicht genötigt, solche Schuhe anzuziehen, weil er von Natur Filzpantoffeln trug.
Hihi – der Kastellan, der die Schlossführung macht, hat natürlich schon Filzpantoffeln an.
„Sehssu, mein Affgen, das is nu deine Heimat. Sag mal: würdest du für dieselbe in den Tod gehen?“
„Du hast es schriftlich, liebes Weib, dass ich nur für dich in den Tod gehe. Verwirre die Begriffe nicht. Amor patriae ist nicht gleichzusetzen mit der ›amor‹ als solcher. Die Gefühle sind andere.“
Und das zwei Jahre vor dem 1. Weltkrieg!
„Claire?“
„Wolfgang?“
„Mir ist so … “
„Gut so, mein Junge.“
„Nein! Spass beiseite, mir ist mit dem Magen nicht recht.“
„Das ist Cholera. Wart, bis du was zu essen bekommst.“
„Nein, hör doch, ich hab so ein Gefühl, so leer, so … “
„Typisch, Das ist geradezu – bezeichnend ist das. Du stirbs, Wölfchen.“
„Die richtige Liebe deinerseits ist das auch nicht! Erst lasse ich dich auf Medizin studieren, und jetzt willst du nich mal durch dein Hörrohr kucken.“
„Ach Gott, nicht wahr, was heisst denn hier überhaupt! – Nicht wahr? – Wer denn schliesslich … “
Aber sie ging doch mit zur Apotheke…
Diese Dialoge sind einfach herrlich.
Er liess sie Medizin studieren? Als müsse er als Ehemann (…) die Erlaubnis geben, dass Frauen studieren dürfen…
„Das Grüne –“
„Aber ich sage dir ja, ziehs an!“
„Ja … aber … wenn dus mir sagst, machts mir gar keinen Spass. Du musst sagen: Ziehs nich an, musst du sagen, oder: zieh das Weisse an, tja.“
Genauso ist es 😊
„Wolfgang?“
„Claire?“
„Merks du nichs?“
„Wie bitte?“
„Obs du nichs merks?“
„Nein.“
„Na, aber süh mir mal an!“
„Bei Gott, nichts. Zuckt die Achseln.“
„Du musst das nicht mitsprechen, was in Klammern steht. Zuckt die Achseln, das steht in Klammern, weisst du?
Ist einfach herrlich – was in Klammern steht, musst Du nicht mitsprechen. Als wäre es ein Theaterstück!
Die Sonne steckte hinter den stürmenden Wolken; manchmal kam sie hervor, dann war sie rot und fror in der rauhen, kräftigen Herbstluft.
Was für eine Formulierung, man spürt den Herbst gleich mit.
Eine Schafherde trappelte durch die gestoppelten Felder; sie wollten ausweichen, aber es war zu spät, der Schäferhund hatte eine lange Reihe zurechtgebellt, sie waren mitten unter ihnen, die Schafe umwogten sie, die Claire schwankte lachend in dem Meer her und hin.
„Wölfchen, wenn mir die Tieren nu fressens?“
„Ihnen nicht, Fräulein, es dürfte sich nicht lohnen.“
Endlich krochen sie heraus, staubbedeckt, lachend.
„Dass du dir da rausgefunden hast, Wölfchen!“
Der Schäferhund hatte eine lange Reihe zurechtgebellt…!
„Lass das Alter gewähren, mein Kind. Vielleicht hat sie nicht so hübsche Jugenderinnerungen … Wie schrieb der grosse Friedrich an den Rand seiner Akten? – ›Mein lieber Geheimrat‹, schrieb er, ›wir sind alt und können nicht mehr, wir wollen uns über die freuen, die noch können.‹“
Guter Rat von Friedrich dem Grossen!
Sie schnarchte, dass die Grillen vor Schreck verstummten.
Was für ein Bild.
„Neugierig bün ich ga–nich. Aber wissen möcht ich bloss, was da in is“, und dachte heftig nach, ohne es herauszubekommen. (Sie hat es nie erfahren, das Paket wurde im Hotel vergessen.)
Neugierig bin ich nicht, aber wissen möchte ich 😉 Und dann die Pointe – sie vergessen das Paket, von dem sie wissen wollte, was drin war.
Es ergab sich, dass sie gleichfalls die Heilwissenschaft studiere und sich auch sonst geistig fleissig rege.
Heilwissenschaften – das ist eine gute Übersetzung von health sciences!
Und sich dann auch noch sonst fleissig regen.
Sie sei Monistin. Was das sei? Gesellschaftliche Artigkeit trug über ein leichtes Lächeln den Sieg davon. Sie sei erfüllt von dem Glauben, dass alles sich auf natürlicher Grundlage nach Massgabe der betreffenden Umstände aufbaue. Auf die Umstände lege sie besonderes Gewicht, auf die käme es an … Aus ihnen liesse sich alles herleiten. Sie, Lissy Aachner, wäre nimmermehr das geworden, was sie sei, wenn nicht die Umstände und das, was man wohl Milieu nenne, sie zu einem Produkt der neuen Zeit gemacht hätten. Und diese Umstände zu erkennen, das sei es, fuhr stud. med. Aachner fort, worauf es ankäme … Erkenntnis, das sei das Wort! – Wohin sollte es führen, wenn wir auf der Stufe alter Barbarenvölker ständen und den Regen z.B. noch als etwas Göttliches empfänden? Der Regen sei einfach ein Niederschlag atmosphärischen Wassers in Form von Tropfen oder Wasserstrahlen. Dagegen war nichts zu sagen. Der Regen war in der Tat ein Niederschlag atmosphärischen Wassers in Form von Tropfen oder Wasserstrahlen. Und habe es nicht mit den geistigen Dingen eine ebensolche Bewandtnis? – Sei nicht auch hier Erkenntnis das Element alles Lebens? – Wie wolle man sich denn vor Liebesschmerz hüten, ohne die Elemente dieses Affekts, die Liebe und den Schmerz, analysieren zu können? – Sie gäbe ja Ausnahmen zu, bemerkte die Sprecherin, aber wenn wir auch heute noch nicht so weit wären, alles zu erkennen, so läge dies eben an einer Mangelhaftigkeit unserer Apparate bzw. Organe. Es würde schon noch werden. Seien nicht auch die Religion, die Kunst Dinge, die restlos in ihre Bestandteile aufzulösen nur einem Orthodoxen als kühn erscheinen könne? – Ja, das gesamte Leben als solches …
Interessante Einstellung – wohl auch die von Kurt Tucholsky selbst.
Da-sein, voraussetzungsloses Dasein und immerfort wissen, dass eine ist, die gleich fühlt, gleich denkt … (Denkt, fühlt sie wirklich? Aber ist das nicht einerlei, wenn wir nur glauben?) Nun, wir glauben eben einmal, dass wir uns nur deshalb nicht begegnen, weil wir nebeneinander demselben Ziele zulaufen, gleich strebend, parallel – … Dies zu wissen – das ist Glück Ein Seitenblick genügt: all deine Empfindungen sind hier noch einmal, aber umkleidet mit dem Reiz des Fremden. Wozu noch sprechen? – Wir wissen ohnehin. Wozu versichern, betonen? – Wir wissen, wir wissen. Und das Erlebnis und ich und sie – das gibt einen Klang, einen guten Dreiklang.
Schöne Liebeserklärung, zwar etwas verklärt, aber schön…