The Yangtze Valley and beyond
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Besprechung
Moritz T.
«(…) in short, that it is generally abonimable.»
Zuerst lange Beschreibung des «britischen» Shanghais, mit den unzähligen Clubs und den vielen Annehmlichkeiten; dann wendet die Autorin sich dem chinesischen Shanghai zu, gefährlich, stinkend, eben: abscheulich. Viele Briten leben in Shanghai, ohne in das ursprüngliche Shanghai je vorzudringen. Die Autorin kann sich nur mit Mühe einen trip dorthin organisieren.
«Cooking, washing, mending, eating and watching my occupation with far less interest than I watched theirs, filled up their day. Evening brought fresh kowtowing and burning of incense sticks, the opium lamp was lighted, the man passed into elysium, and they wrapped themselves in their wadded quilts and slept till sunrise.»
Die Autorin hat freie Sicht auf das Familienleben auf einem Boot. Das Bild wird lebendig… Kinder und Grossmutter geniessen weitgehende Ruhe, Hauptlast der Arbeit bei der Mutter. Der Vater raucht und fertigt Schuhe an.
«The linked system of superstition and torture, which enter largely into Chinese medical treatment, are undermined, and rational Western surgery is demanded by people.»
Hangchow Medical Hospital, wichtige Etappe für die westliche Schulmedizin (und nebenbei, für die Missionierung). Traditionelle Chinesische Medizin damals vielleicht in schlechterem Ruf als heute im Westen.
Suizid aus Rachemotiven
Suizid weit verbreitet; nach Gesichtsverlust, um sich zu rächen. Opium zunehmend bevorzugtes Mittel.
„In them hundreds of people eat, sleep, bargain, gamble, cook, spin and quarrel, while they are the sculleries, sinks and sewers of not inconsiderable portion of the population.“
Die Strassen von Hankow, erfüllt von Handelsgeschrei, u.a. der ambulanten Coiffeure, von vielerlei Gerüchen; „absence of feminine element“.
„A noisy and dirty rabble follows a stranger; mud is thrown (…) bad names are bandied freely (…)“
Die Touristin nicht überall willkommen. In Sha-shih zieht sie schliesslich den Rückzug an und bringt sich auf ihrem Dampfboot wieder in Sicherheit.
„If the Upper Yangtze junks number from seven to eight thousand the men employed on them at the lowest estimate must be a quarter of million (…)“
Immer wieder streut Bird Statistiken ein, gibt dem Reisebericht zusätzliche Dimensionen. Die Dschunken (und andere Bootstypen) waren nicht nur Transportmittel, sondern für viele Familien auch Lebensraum. Das Überwinden von Stromschnellen (oft mit mehr als hundert Männern, die an den Ufern ziehen), das Navigieren durch Untiefen waren gefährlich. Bird beschreibt mehrere Unfälle, und sie sieht viele gestrandete Dschunken am Fluss. Die enormen Unterschiede im Wasserniveau (nicht nur von Saison zu Saison, sondern manchmal von Tag zu Tag) machen die Fahrten unberechenbar, und das Anlegen der ankerlosen Boote für die Nacht zu einer heiklen Angelegenheit.
Trackers at work
Lebhafte Beschreibung der Arbeiter, die die Dschunken vom Ufer aus über Stromschnellen ziehen, angetrieben von Trommeln, Gongs, Geschrei, Feuerwerk. Harte und gefährliche Arbeit; wenn sich die Seile im Fluss an Felsen verfangen, müssen die Männer auch ins Wasser.
„(…) as no carpenter would work during New Year’s holidays.“
Das Boot war leck geschlagen, ungünstiger Zeitpunkt. Das Chinesische Neujahr schon vor 120 Jahren ein grosses Ereignis, das das ganze gesellschaftliche Leben erfasst.
„At that time, though missionaries had been settled at Wan for some years and had been able to rent this beautiful house, there was not a Christian in the city.“
Hartes Brot für christliche Missionare… Isabella Bird ist unweigerlich zu ihnen hingezogen auf ihrer Reise, zumal sie oft die einzigen Westerners sind in einer Stadt. In Wan herrscht tendenziell eine fremdenfeindliche Stimmung, foreign devils, denen allerlei Hexerei zugetraut wird. Die Protestanten leben etwas komfortabler als die Katholiken, gemäss Bird.
„It is impossible to have patience with their ignorance because of their over-weening self- conceit. It is passable in Africa, but not in these men with their literary degrees and their elaborate culture ‚of sorts‘, and two thousand years of civilisation behind them.“
Phantastische Vorstellungen auch gebildeter Chinese über alles nicht-Chinesische. Für die Missionare zum Verzweifeln.
„Chinese Charities“
Blick auf das chinesische Wohlfahrtswesen. Isabella Bird beobachtet Indifferenz und Brutalität, wenn es um das Leiden von Individuen geht. Zugleich gibt es organisierte Wohltätigkeit für Witwen, Bettler, Flüchtlinge, mit der sich die Spender (spirituell) verdient machen. Aber man vermeidet strikt die persönliche Ebene und mögliche Verbindung mit den Notleidenden. – Leider nur sehr knapp ausgeleuchtet der religiöse Hintergrund der Wohltätigkeit.
„I recognized many cries of Yang kwei-tze! (foreign devils) and ‚Child-eater!‘ swelling into a roar; the narrow street became alomost impassable; my chair was struck repeatedly with sticks; mud and unsavoury missiles were thrown with excellent aim; a well-dressed man, bolder or more cowardly than the rest, hit me a smart whack across my chest (…) it was an angry Chinese mob.“
Die britische Touristin verursacht einen Tumult, den sie stoisch über sich ergehen lässt. In kleineren Dörfern belassen es die Einheimischen beim stundenlangen Starren, in Städten kann die Situation schnell eskalieren. Als sie in hier in Liang-shan Hsien Zuflucht in einem Gasthaus sucht, versucht der Mob ihr Zimmer in Brand zu setzen; Isabella löscht das Feuer, aber die verbarrikadierte Türe wird attackiert. Sie erwartet die Angreifer mit einem Revolver in der Hand. Endlich erscheinen Soldaten und vertreiben den Mob.
„(…) I often thought Chinese travelling an utter abomination!“
Wieder mal in einer Unterkunft, die wenig Schutz und keinen Komfort gewährt. Ungeziefer, Ratten, und in unmittelbarer Nachbarschaft Schweine. Kalt, die Kleider feucht, die Umgebung feindselig (Isabella musste sich wieder als foreign devil beschimpfen und bedrohen lassen). Die Gerüche, denen man ausgesetzt ist, unerträglich.
„These were days of delightful travelling without any drawbacks. The weather was beautiful, the air sharp and the people well behaved.“
Allmählich nähert sich Isabella Chengdu, und reist auf der (grösseren) Strasse Peking – Chengdu. Nach vielen eher mühsamen Reisetagen (Wetter, Unterkunft, Fremdenfeindlichkeit) etwas angenehmere Umstände.
Besuch zweier Tempel
Der „God of War“ scheint wesentlich mehr Anziehungskraft (vor allem auf Frauen) zu haben als der „God of Literature“, der naturgemäss vor allem die literati anzieht. Isabella begegnet Pilgerscharen, getrennt nach Geschlechtern, die Frauen auf ihren verkrüppelten Füssen legen grosse Distanzen zurück. (Das Abbinden der Füsse weit verbreitet, die „big feet“ von Isabella werden immer wieder bestaunt.) Leider wenig Hintergründe zu den taoistischen Praktiken.
„The mandarin sent an apology for the rudeness in Peng Hsien, but partly excused the people, as they, he said, had never seen an open chair or a foreign hat before.“
Offenbar Grund genug für eine Attacke auf die Touristin, die einmal mehr von einem Mob beschimpft, aber dieses Mal auch von einem Stein am Kopf getroffen wird und für kurze Zeit das Bewusstsein verliert.
„(…) Chengtu is neat and clean, and a comparison of its odours with those of Peking is impossible, for those of musk overpower all else!“
Chengdu ist Umschlagsplatz für das aus Tibet importierte Moschus, mit starkem Impact auf das olfaktorische Profil der Stadt.
„The ‚Beyond'“
Gegen den Widerstand der chinesischen Behörden setzt Isabella Bird ihre Reise bis ins tibetisch geprägte Somo (Suomo) weiter nach Westen fort. Isabella kann einen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken: sie ist der chinesischen Obhut und Enge, zuweilen halt auch: Feindseligkeit, für eine Weile entronnen. Sie atmet die Bergluft, und schwelgt in den Farben und Formen der unvergleichlich schönen Landschaft. Sie notiert detailliert Pflanzenarten, und das Farbenspiel von Fluss, frühlingshafter Vegetation und Schnee auf den Bergspitzen, denen sie sich allmählich annähert, in zahlreicher, aber ausschliesslich einheimischer Begleitung. Zum normalen Reisetrupp von 12 Personen (Träger Sänfte, Gepäckträger) kommt später ein Schutztrupp (und wieder eine chinesische Aufsicht…) , da angeblich Banditen die Gegend unsicher machen. In weit über 3000 Metern Höhe geraten die Reisenden in einen Schneesturm, und verpassen es vor der Dunkelheit eine Unterkunft zu finden. Um Mitternacht überqueren sie ausgehungert, halb erfroren, erschöpft, manchmal bis zum Hals im Schnee einsinkend einen Pass, und erst um drei Uhr morgens, nach weiteren Dramen und Irrwegen, findet die Gruppe eine notdürftige Unterkunft.
Die Beschreibung der Landschaft und der Vegetation zählen zu den Stärken dieser Autorin; etwas weniger im Vordergrund stehen die Tiere (sie schimpft vornehmlich über die Ausländern wenig freundlich gesinnten Wasserbüffel und schwarzen Schweine). Kaum Beobachtungen zu Vögel, und auf der Yangtze-Flussfahrt kaum Notizen zu den zahlreichen Fischarten (mehr als 400!).
„I learned from Chinese sources that in several of the large cities of the province 80 per cent of the men and 40 per cent of the women are opium smokers (…)“
Das Rauchen von Opium ist sehr weit verbreitet, mit verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit und Arbeitsmoral. Isabella Bird widmet der Droge ein eigenes Kapitel im Anhang. Wie hat es China geschafft, dieser Ende des 19. Jahrhunderts um sich greifenden Epidemie Herr zu werden?
„Notes on Protestant missions in China“
„Under such teaching eighty thousand Chinese in 1898 were making a public profession of the Christian faith.“ (p. 378)
Gesamtbevölkerung um 1900 bei 400 Millionen. 1997 waren es gemäss offiziellen Angaben (sagt Wikipedia) rund 19 Millionen Christen, immer noch nur 1.4% der Bevölkerung. Seither aber ziemlicher Aufschwung.
Eigenes Kapitel, das sich der christlichen Mission widmet. Wenig Erfolg, die Autorin erläutert die Schwierigkeiten in verschiedenen Episoden im Buch, hier fasst sie zusammen: Mangelnde Kenntnis der chinesischen Sprache und Mentalität der Missionare, Fremdenfeindlichkeit und national vanity, Konfuzianismus, Aberglauben, Verehrung der Vorfahren (p. 381).
Klare Identifikation der Autorin mit der Mission der Missionare, nachdem sie sie vor Ort beobachten konnte (sie gibt an, zuvor eher eine distanzierte Haltung eingenommen zu haben). An erster Stelle des „direct part of missionary work“ nennt die Autorin: awakening the conscience of sin.
„(…) it is now much on a level with the idolatries of barbarous nations.“
Über den Niedergang des Buddhismus in China. Einer der Gründe, weshalb Isabella Bird das Missionieren in China begrüsst. Aber es geht auch darum, den Chinesen die vielen Vorzüge des Christentums nicht vorzuenthalten, und China nicht als blossen Handelsplatz zu sehen.
„Among the reasons given for the alleged ‚decay‘ of China is its ‚overpopulation‘.“
Die Autorin tritt dem Gerede von Niedergang Chinas entschieden entgegen, sie konnte monatelang beobachten, wie der Handel und die Gesellschaft florieren und funktionieren. Unter den aus heutiger Perspektive absurd anmutenden Gründen für den angeblichen Niedergang wird auch „Überbevölkerung“ angeführt.
„The Chinese practically in actual life are one of the freest peoples on earth!“
Religionsfreiheit, wenig Steuern und Interventionen von seiten des Staates, bei weitgehender Rechtssicherheit. Korruption ja und viel Widersprüchlichkeit im einzelnen, aber insgesamt funktionierendes System, das die Bildung von Gesellschaften, Gilden, Gewerkschaften erlaubt, und das dem chinesischen „Genius“ der sozialen Bindungen entspricht. – Die Autorin verquantet politische Botschaften in ihren „concluding remarks“; mindestens so interessant wären abschliessende Bemerkungen zu Kultur und Mentalität der Chinesen gewesen, nach monatelangem intensivem Kontakt.