Wenn es dunkel wird

Autor: Peter Stamm
Verlag: S. Fischer
Genre: Erzählungen
Erscheinungsjahr: 2020
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 978-3-10-002226-4
Auflage: 1
Einbandart: gebunden
Seitenzahl: 192
Sprache: Deutsch
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Besprechung

Moritz T.

Die typischen Helden, oder, gerade so häufig, die typischen Heldinnen in diesen Erzählungen führen ein etwas graues, unscheinbares Leben. Das Leben verläuft in vorgespurten Bahnen...
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SEITE: 33-49 j.flickinger Keine Kommentare
Stelle:

Supermond

Anmerkung:

Ein Mann hat nur noch einige Tage bis zu seiner Pension zu arbeiten. Er beschreibt diese Zeit und, dass ihn die Kollegen und auch sein Umfeld schon kaum mehr wahrnehmen. Anfangs ist man geneigt zu denken „ja, wieder so einer, der nicht loslassen kann, weil er meint, er sei zu wichtig, um nicht mehr zum Erfolg der Firma beizutragen, obwohl er von gestern ist/scheint“. Als sich das Ganze aber ins Private zieht und seine Frau ihn plötzlich zu ignorieren scheint, ist man irritiert, fast mitleidig.

Am Ende ist es wieder eine Geschichte zwischen hier und dort, eine Parallelwelt. Der Protagonist ist tot, vielleicht schon beim Beginn der Erzählung, und muss selbst loslassen, um „gehen“ zu können. Er schaut von aussen auf seine ehemaligen Kollegen, seine Frau, wird immer schwächer, bis er eines nachts vom „Supermond“ (Anspielung auf das Licht, das ja häufig herangezogen wird, wenn es ums Sterben geht) fortgezogen wird.

Ich finde die Geschichte gut gemacht, weil der Aha-Moment sich fliessend einstellt. Neu ist die Perspektive natürlich nicht. Man findet das Wandeln der Geister, die noch aktiv am Leben teilnehmen viel in der lateinamerikanischen Literatur. Das Insistieren und laute Nachfragen des (toten) Protagonisten, das mit einer Reaktion der Lebenden einhergeht hat etwas Spirituelles, erinnert auch ein wenig an den Film „Ghost – Nachricht von Sam“. Eben, es ist kein neues Thema und auch keine neue Art der Herangehensweise, aber die Geschichte ist angenehm unaufgeregt und wenig emotional angelegt, was man als eine Umsetzung des „sanften Hinübergleitens“ sehen könnte.

SEITE: 73 - 91 Moritz T. Keine Kommentare
Stelle:

„Die Frau im grünen Mantel“

Anmerkung:

Herausragende Erzählung, gute Balance (Rückblick und Erzählgegenwart), bestechendes Timing des Gangs durch das Krankenhaus; Porträt einer faszinierenden Figur.

Der Ich-Erzähler, jetzt Patient und ehemals Arzt hier, nimmt uns mit auf einen Spaziergang durchs Krankenhaus. Er folgt einer Frau, die er vor Jahren mehrfach behandelt hatte; während er ihr durch die verschiedenen Abteilungen und die Cafeteria nachschlendert, erinnert er sich an die merkwürdigen, erotisch aufgeladenen Begegnungen (der etwas einsame junge Arzt verpasste es, klare Grenzen zu ziehen). Und wie er entdeckte, dass Mirjam nicht nur ihn beschäftigte mit erfundenen Krankheiten oder selbst zugefügten Verletzungen, sondern eine ganze Reihe von Ärzten. Zugleich hatte nie ein Arzt eine Akte über sie angelegt, etwas unwahrscheinliche Volte. Die dauerpräsente, aber anonyme Patientin.

Die Frau ist ganz offensichtlich besessen vom Krankenhaus und von Ärzten, in dieser Umgebung scheint sie sich wohlzufühlen; sie nutzt auch die Notfallaufnahme, um zu jeder Tages- Und Nachtzeit darin einzutauchen.  Eine weit entfernte Verwandte von Poes «Man of the Crowd» vielleicht. Ein Gespenst, das unablässig durch die Krankenhausflure wandert, seit Jahrzehnten.

Am Ende führt ihn die Frau wieder in den Eingangsbereich, wo der Chefarzt und ehemalige Kollege ihn jovial begrüsst, aber kein Wort verliert zur riskanten bevorstehenden Operation.

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