Orbital
Autor:
Samantha Harvey
Verlag: Penguin Vintage
Genre: Belletristik
Erscheinungsjahr: 2024
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 9781529922936
Einbandart: Taschenbuch
Seitenzahl: 144
Sprache: Englisch
Besprechung
Julia_kersebaum
Bewertungen
Besprechung
Der Weltraum, unendliche Weiten… dies sind die Abenteuer der Internationalen Space Station (ISS)…
«Orbital», wie der Titel bereits verrät, spielt im Weltraum, ohne dass der Weltraum eine grosse Rolle spielt. Stattdessen dreht sich alles – wortwörtlich – um die Erde.
Eine Weltraummission zum Mond wird aus der stationären Umlaufbahn der ISS mit Argwohn und Skepsis betrachtet. Die Station selbst, ein Stückwerk aus russischer, chinesischer und amerikanischer Manufaktur, ist Heimat und Gefängnis zugleich. Die Unterschiede zwischen Kosmonauten und Astronauten bleiben – auch tausende Kilometer von den jeweiligen Heimatländern entfernt – sowohl sprachlich wie kulturell erhalten.
Die Besatzung der ISS, eine zusammengewürfelte Gruppe aus (fast) allen Teilen der Welt, kämpft mit dem Alltag im All, so nah und doch so fern vom Leben auf der Erde.
Ein familiärer Todesfall auf der Erde macht deutlich, dass es für den Moment kein zurück gibt, dass das normale Leben jenseits des Orbits weitergeht oder endet, und dass der Besatzung nicht viel bleibt, als Fotos und Erinnerungen.
Die Forschungsaufträge, Checklisten, Arbeitsaufträge, die den Alltag dominieren, scheinen eher Beschäftigungsmassnahmen als wirklich sinngebend - ohne Struktur ist der Schritt in den Wahnsinn jederzeit gefährlich nah (eingesperrt mit Fremden in einer schwerelosen Blechdose)...
Die Kommunikation mit der Erde folgt einem strengen Rhythmus. Alles, um in einer unnatürlichen Umgebung einen Alltag zu etablieren.
Auf Anfrage werden Wetterbeobachtungen an die Erde durchgegeben, ein Sturm, der sich über dem Meer zusammenbraut und die Küstenregionen bedroht. Erneut wird deutlich, wie hilflos man den (natürlichen) Vorgängen auf dem Planeten gegenüber ist.
Gefangen in der Rolle der Beobachter, in der ultimativen Vogelperspektive, stellt sich die Frage: Was bleibt vom Menschen jenseits des blauen Planeten? Der Roman lädt mit seinem einzigartigen Setting und den präzisen Schilderungen des All-tags zum Nachdenken ein, über Menschlichkeit und Grenzerfahrungen, über Einsamkeit und unendliche Weite und über Forscherdrang.
Mehr zeigen...
«Orbital», wie der Titel bereits verrät, spielt im Weltraum, ohne dass der Weltraum eine grosse Rolle spielt. Stattdessen dreht sich alles – wortwörtlich – um die Erde.
Eine Weltraummission zum Mond wird aus der stationären Umlaufbahn der ISS mit Argwohn und Skepsis betrachtet. Die Station selbst, ein Stückwerk aus russischer, chinesischer und amerikanischer Manufaktur, ist Heimat und Gefängnis zugleich. Die Unterschiede zwischen Kosmonauten und Astronauten bleiben – auch tausende Kilometer von den jeweiligen Heimatländern entfernt – sowohl sprachlich wie kulturell erhalten.
Die Besatzung der ISS, eine zusammengewürfelte Gruppe aus (fast) allen Teilen der Welt, kämpft mit dem Alltag im All, so nah und doch so fern vom Leben auf der Erde.
Ein familiärer Todesfall auf der Erde macht deutlich, dass es für den Moment kein zurück gibt, dass das normale Leben jenseits des Orbits weitergeht oder endet, und dass der Besatzung nicht viel bleibt, als Fotos und Erinnerungen.
Die Forschungsaufträge, Checklisten, Arbeitsaufträge, die den Alltag dominieren, scheinen eher Beschäftigungsmassnahmen als wirklich sinngebend - ohne Struktur ist der Schritt in den Wahnsinn jederzeit gefährlich nah (eingesperrt mit Fremden in einer schwerelosen Blechdose)...
Die Kommunikation mit der Erde folgt einem strengen Rhythmus. Alles, um in einer unnatürlichen Umgebung einen Alltag zu etablieren.
Auf Anfrage werden Wetterbeobachtungen an die Erde durchgegeben, ein Sturm, der sich über dem Meer zusammenbraut und die Küstenregionen bedroht. Erneut wird deutlich, wie hilflos man den (natürlichen) Vorgängen auf dem Planeten gegenüber ist.
Gefangen in der Rolle der Beobachter, in der ultimativen Vogelperspektive, stellt sich die Frage: Was bleibt vom Menschen jenseits des blauen Planeten? Der Roman lädt mit seinem einzigartigen Setting und den präzisen Schilderungen des All-tags zum Nachdenken ein, über Menschlichkeit und Grenzerfahrungen, über Einsamkeit und unendliche Weite und über Forscherdrang.
Kommentar
Der Satz stammt aus dem Essay «Lob des Schattens», den Tanizaki Jun’ichiro im japanischen Original 1933 publizierte. Der Essay ist ein Manifest des Widerstands gegen die Vereinnahmung Japans durch die westliche Ästhetik. «Hell glänzend» ist im Westen tendenziell positiv besetzt, wir assoziieren damit neu, sauber, anziehend. Dagegen preist der japanische Autor das Zwielicht, das Abgedunkelte.
Bald 100 Jahre später kann man auf den ersten Blick der Meinung sein, dass sich der Westen durchgesetzt hat; man muss nur einmal durch Toykos Ginza-Distrikt spazieren, wo alles blinkt und gleisst. Wenn man dann aber eine kleine Sushibar betritt, kann einen eine wohltuend gedämpfte Atmosphäre empfangen, wo immer noch die alten japanischen Grundsätze zu gelten scheinen, die der Autor wie folgt formuliert:
«Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.» (p. 58).
Der Fokus der traditionellen japanischen Ästhetik, der der Autor das Wort redet, gilt nicht einem Objekt, sondern dem Licht in all seinen Schattierungen, die rund um Objekte entstehen. Das matte, abgedunkelte, undeutliche beruhigt und regt zugleich die Sinne, die Phantasie an. Eine Kalligraphie beispielsweise kommt am besten in einem Zimmer im Hintergrund zur Geltung, eine Vase in einer nicht ausgeleuchteten Nische. Man könnte vielleicht sagen, dass das Schattenspiel erst die Dinge in ein schönes Gesamtes integriert.
Japan hat die westliche Ästhetik übernommen und die eigene bewahrt; es ist diese Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Welten, die zur Faszination Japans beiträgt.