Autor:
Chimamanda Ngozi Adichie
Verlag: Knopf
Genre: Belletristik
Erscheinungsjahr: 2025
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 9780593803479
Einbandart: Paperback
Seitenzahl: 416
Sprache: Englisch
MT
Moritz T.
Bewertungen
Besprechung
Die Nigerianerinnen Chiamaka, Zikora und Omelogor spüren den Druck ihrer Familien, im fortgeschrittenen Alter endlich einen Ehe-Partner zu finden, und vor allem: Mutter zu werden. Doch die Männer sind emotional nicht erreichbar, spielen sich als Paschas auf oder genügen den Ansprüchen der aus wohlhabenden Familien stammenden Hauptfiguren nicht. Das wird bei den Freundinnen Chiamaka und Zikora etwas gar ausführlich in Variationen durchdekliniert, offensichtlich mit der Ambition einer vollständigen Aufzählung der (unerfüllten) Träume.
Omelogor geht im Unterschied zu ihrer Cousine Chiamaka und Zikora cool um mit der tickenden biologischen Uhr: sie nimmt sich Männer als Partner für kurze Zeit, und lässt sie dann wieder fallen. Sie ist selbstbewusst, und macht Karriere im nigerianischen Bankensystem, dessen Korruptheit sie aber mit der Zeit anwidert. Sie entzieht dem System mehr oder wenig unauffällig Geld und verteilt es via «Robyn Hood» an bedürftige Unternehmerinnen. Etwas dick aufgetragen.
Dass sich Frauen und Männer nicht gut verstehen, beschäftigt aber Omelogor schon auch. Sie vermutet in der weit verbreiteten Pornographie eine der Ursachen – denn von dort werden die meisten Männer falsche Vorstellungen von Sex mit in Beziehungen bringen. Sie will dem Thema in einem Studienaufenthalt in den USA auf den Grund gehen. Als reiche, erfolgreiche und selbstbewusste Schwarze passt sie aber so gar nicht in das für sie vorgesehene Opferschema der linken und woken Mit-Studenten, mit denen sie überhaupt nicht zurechtkommt. Sie empfindet die USA als «provinziell». Sie bricht das Projekt ab und kehrt nach Nigeria zurück.
Mit dem Portrait von Kadiatou gewinnt die sonst bisweilen etwas ausufernde Prosa an Prägnanz und Dringlichkeit. Dieser Strang ist in Teilen der Geschichte der Hotelangestellten Nafissatou Diallo nachempfunden, die 2011 vom französischen Ökonomen und Politiker Dominique Strauss-Kahn in einem Hotelzimmer in New York mutmasslich sexuell attackiert worden war. Adichie skizziert eine facettenreiche Biographie der aus armen Verhältnissen in Guinea stammenden Kadiatou, die sich – anders als die reichen Nigerianerinnen – immer wieder in fremd-bestimmter Umgebung zurechtfinden muss. Ihr Traum ist es einfach, sich und ihrer Tochter in den USA ein einigermassen gutes Leben zu ermöglichen. Als Hotelgast hatte Chiamaka sie kennengelernt und dann als Angestellte zu sich nach Hause geholt. Chiamaka betrachtet Kadiatou als Freundin, für die sie sich nach der Vergewaltigung zusammen mit Omelogor und Zikora engagiert in der Vorbereitung auf den Prozess gegen den prominenten Übeltäter. Dabei sind die Interessen von Kadiatou, die in erster Linie Ruhe für ihre Tochter und sich will, und den drei anderen Frauen, die Gerechtigkeit für Kadiatou und ein Exempel statuieren wollen, nicht deckungsgleich.
Da wird gekonnt ein Spannungsfeld aufgefächert, worin neben der geographischen Herkunft oder der Hautfarbe auch die Klasse eine wichtige Rolle spielt in einer komplexen Auseinandersetzung. Die Autorin ermöglicht auch an anderen Stellen Einblicke in Vorurteile, oder grobe und subtile Formen der Diskriminierung, zuweilen auch unter Schwarzen, in unerwarteten Konstellationen. Eine spezielle Position nimmt die Reiseschriftstellerin Chiamaka ein, die von ihren Freundinnen schon als amerikanisiert angesehen wird, mit ihren weissen Partnern, westlichen Gewohnheiten und Redensarten. Die Juristin Zikora gebärdet sich dagegen eher konservativ, sie findet ihren Halt in einem afrikanisch geprägten Katholizismus.
Mit viel Sorgfalt und Intensität sind die diversen Mutter-Tochter-Beziehungen gezeichnet, in denen sich neben den üblichen Generationenkonflikten auch die inter-kulturelle Brüche manifestieren.
Der Roman spielt teilweise während Lockdown und Corona; diese Verankerung in der Zeitgeschichte wirkt nicht zwingend und es erwächst daraus kaum ein Mehrwert für die Geschichte.
Aber «Dream Count» bietet genug spannenden und mitreissend erzählten Stoff, der über gewissen Längen hinweglesen lässt.
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Omelogor geht im Unterschied zu ihrer Cousine Chiamaka und Zikora cool um mit der tickenden biologischen Uhr: sie nimmt sich Männer als Partner für kurze Zeit, und lässt sie dann wieder fallen. Sie ist selbstbewusst, und macht Karriere im nigerianischen Bankensystem, dessen Korruptheit sie aber mit der Zeit anwidert. Sie entzieht dem System mehr oder wenig unauffällig Geld und verteilt es via «Robyn Hood» an bedürftige Unternehmerinnen. Etwas dick aufgetragen.
Dass sich Frauen und Männer nicht gut verstehen, beschäftigt aber Omelogor schon auch. Sie vermutet in der weit verbreiteten Pornographie eine der Ursachen – denn von dort werden die meisten Männer falsche Vorstellungen von Sex mit in Beziehungen bringen. Sie will dem Thema in einem Studienaufenthalt in den USA auf den Grund gehen. Als reiche, erfolgreiche und selbstbewusste Schwarze passt sie aber so gar nicht in das für sie vorgesehene Opferschema der linken und woken Mit-Studenten, mit denen sie überhaupt nicht zurechtkommt. Sie empfindet die USA als «provinziell». Sie bricht das Projekt ab und kehrt nach Nigeria zurück.
Mit dem Portrait von Kadiatou gewinnt die sonst bisweilen etwas ausufernde Prosa an Prägnanz und Dringlichkeit. Dieser Strang ist in Teilen der Geschichte der Hotelangestellten Nafissatou Diallo nachempfunden, die 2011 vom französischen Ökonomen und Politiker Dominique Strauss-Kahn in einem Hotelzimmer in New York mutmasslich sexuell attackiert worden war. Adichie skizziert eine facettenreiche Biographie der aus armen Verhältnissen in Guinea stammenden Kadiatou, die sich – anders als die reichen Nigerianerinnen – immer wieder in fremd-bestimmter Umgebung zurechtfinden muss. Ihr Traum ist es einfach, sich und ihrer Tochter in den USA ein einigermassen gutes Leben zu ermöglichen. Als Hotelgast hatte Chiamaka sie kennengelernt und dann als Angestellte zu sich nach Hause geholt. Chiamaka betrachtet Kadiatou als Freundin, für die sie sich nach der Vergewaltigung zusammen mit Omelogor und Zikora engagiert in der Vorbereitung auf den Prozess gegen den prominenten Übeltäter. Dabei sind die Interessen von Kadiatou, die in erster Linie Ruhe für ihre Tochter und sich will, und den drei anderen Frauen, die Gerechtigkeit für Kadiatou und ein Exempel statuieren wollen, nicht deckungsgleich.
Da wird gekonnt ein Spannungsfeld aufgefächert, worin neben der geographischen Herkunft oder der Hautfarbe auch die Klasse eine wichtige Rolle spielt in einer komplexen Auseinandersetzung. Die Autorin ermöglicht auch an anderen Stellen Einblicke in Vorurteile, oder grobe und subtile Formen der Diskriminierung, zuweilen auch unter Schwarzen, in unerwarteten Konstellationen. Eine spezielle Position nimmt die Reiseschriftstellerin Chiamaka ein, die von ihren Freundinnen schon als amerikanisiert angesehen wird, mit ihren weissen Partnern, westlichen Gewohnheiten und Redensarten. Die Juristin Zikora gebärdet sich dagegen eher konservativ, sie findet ihren Halt in einem afrikanisch geprägten Katholizismus.
Mit viel Sorgfalt und Intensität sind die diversen Mutter-Tochter-Beziehungen gezeichnet, in denen sich neben den üblichen Generationenkonflikten auch die inter-kulturelle Brüche manifestieren.
Der Roman spielt teilweise während Lockdown und Corona; diese Verankerung in der Zeitgeschichte wirkt nicht zwingend und es erwächst daraus kaum ein Mehrwert für die Geschichte.
Aber «Dream Count» bietet genug spannenden und mitreissend erzählten Stoff, der über gewissen Längen hinweglesen lässt.
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