Buch im Fokus #18 15.09.2024

Zauber der Stille

«Mönch am Meer», «Kreidefelsen auf Rügen» oder «Das Eismeer» sind Gemälde, die tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert sind. Heute kaum mehr vorstellbar, dass Caspar David Friedrich und seine Kunst um 1900 so gut wie vergessen waren.

Florian Illies’ «Zauber der Stille» erzählt von der Wiederentdeckung des grossen Romantikers, er folgt dem Weg einzelner Gemälde durch die Zeit, und berichtet von der zunehmenden Resonanz im 20. Jahrhundert. Das wächst sich aus zu einer kleinen Rezeptionsgeschichte, die mit leichter Hand erzählt wird, hübsch mit Anekdoten und Prominenten-Zitaten angereichert. Aber Illies schildert auch das Leben Friedrichs, wie er sich seinen Weg als Künstler bahnt und relativ spät eine Familie gründet. Sachte deutet er die Gemälde auch im biographischen Kontext, ohne damit jedoch den Zauber erklären zu wollen, der von ihnen ausgeht.

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Fichten spielen in einigen Gemälden von Caspar David Friedrich eine wichtige Rolle; um Fichten geht es auch in Zitat & Kommentar #13, allerdings springt Peter Sloterdijk wenig ehrerbietig mit ihnen um. Ein Aufenthalt in Sils Maria im Jahr 2008 gab dem Philosophen auch Anlass zu allerlei anderen Notizen in seinem unterhaltsamen Tagebuch «Zeilen und Tage»:  Adorno, die lederverarbeitende Industrie und der FC Basel haben dort ebenfalls ihre Auftritte.

*********************************************************** Übrigens: wir starten hier (Link:  Zeilen und Tage III : Lesart blog) mit der Lektüre des jüngsten Tagebuch-Bandes von Peter Sloterdijk. Lesen und diskutieren Sie doch mit!

Dieses Buch wird besprochen in: Kunstgeschichte Ausleihen
Partner Bibliothek GGG Stadtbibliothek Basel
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Partner-Buchhandlung Labyrinth, Basel
Autor: Florian Illies
Untertitel: Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten
Verlag: Büchergilde Gutenberg
Genre: Sachbuch
Erscheinungsjahr: 2024
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 978-3-7632-7527-4
Einbandart: Leinen
Seitenzahl: 256
Sprache: Deutsch
MT Moritz T.

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Inhalt

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Besprechung

Florian Illies erzählt das Leben und Nachwirken des Künstlers Caspar David Friedrich anhand von Geschichten und Anekdoten, in einem angenehmen leichten, unprätentiösen Ton. Er beschreibt den Zauber der Bilder, aber ohne Geraune oder Mystifikationen. Die Sätze sind sorgfältig und wohltemperiert gesetzt und verwandeln sich ihrem Helden und seiner Zeit an; man erschrickt geradezu, wenn Illies ein Modewort aus unserer Epoche unterläuft («Es stresst» Friedrich, dass seine Ehefrau Line ausführliche Briefe von ihm erwartet, p. 56).
Der Maler Caspar David Friedrich war um das Jahr 1900 so gut wie vergessen, und auch schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er bestenfalls noch unter «Vorläufer von» heute längst vergessener Künstler rubriziert. Illies erzählt die Geschichte der Wiederentdeckung, wie ihn dann die Nationalsozialisten vereinnahmten, und ihn die rebellischen 1968er denunzierten. Heute gilt Friedrich als bedeutendster deutscher Maler des 19. Jahrhunderts.
Auch Bilder haben ihre Schicksale. Illies verfolgt den Weg der Bilder durch den Lauf der Zeit, verfasst Kurzportraits der zeitweiligen Besitzer und imaginiert ihren Bezug zu den Gemälden. Das ist kurzweilig gestaltet, manchmal sind wir auch Dieben oder Räubern auf der Spur. Erschreckend oft endet ein Bilder-Leben in einer Feuersbrunst. – Die vier Kapitel sind jeweils einem der vier Elemente gewidmet; diese Struktur scheint nicht sonderlich zwingend, auch wenn sich natürlich aus Friedrichs Bildern Bezüge zu allen Elementen herstellen lassen.
Friedrich litt zeitlebens unter Depressionen und hatte in seinem Leben schwierige Phasen zu bestehen. Florian Illies beschreibt die Eigenheiten des Künstlers aus respektvoller, angemessener Distanz. Friedrich neigte – auch als Familienvater – zur Einsamkeit und zur Stille, denen er in seinen Bildern in grossartiger und gelegentlich auch verstörender Weise Ausdruck verlieh. Heinrich von Kleist hat über «Mönch am Meer» wenige Monate vor seinem Suizid einen Text der Verzweiflung verfasst.
Florian Illies hat sich sehr ausgiebig mit Caspar David Friedrich beschäftigt, aber er verbirgt in seinem Konversationston geschickt den Aufwand, den er betrieben hat. Nur mit der entsprechenden Hintergrund-Recherche lässt sich das, sagen wir, ambivalente Verhältnis von Goethe zu Friedrich so anschaulich beschreiben. Allerdings kann Illies auch der Versuchung nicht ganz widerstehen, seinen Zettelkasten möglichst vollständig auszubeuten. Der Leser hat kaum etwas davon, wenn beispielsweise auch Marcel Proust oder Ernst Jünger, mit bloss indirektem oder vagem Bezug zu Friedrich, die lange Liste der Prominenten ergänzen, die sich mit den Bildern des Malers beschäftigt haben.
Aber das sind Kleinigkeiten. Florian Illies erreicht spielend leicht sein wohl wichtigstes Ziel: die Leserin, den Leser von neuem neugierig zu machen auf die Bilder Caspar David Friedrichs.

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